Ueberall ist das Bild eines würdigen Greises, das
nicht mehr durch menschliche Schwäche und schwere Verhängnisse
entstellet werden kann, der Ueberblick eines abgeschlossenen
untadeligen Lebens, ein lehrreicher Gegenstand der Betrachtung.
Vielmehr noch, wenn dieser Greis ein Beamter von weitgreifender
Wirksamkeit war, - ob auch rechtlich nur Einem, so doch moralisch
Hunderten, ja Tausenden verantwortlich; und wenn von ihm gesagt
werden darf, daß er, in der thätigsten Laufbahn, in der prüfendsten
Zeit, stets die gleiche Richtung verfolgt, die edelste Haltung
behauptet, Recht und Pflicht zum Ziel seines Strebens gemacht hat.
Wer sich im Leben umgesehen, wird gestehen müssen, daß das kein
gemeiner Ruhm ist, und daß es Verhältnisse giebt, in denen es
schwerer wird, ihn zu erwerben, als in vielen andern.
So möchte der Wirkungskreis des oberen Administrativ-Beamten, in den
norddeutschen Staaten überhaupt, und namentlich in den Hannoverschen
Landen, insofern dieser Beamte
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*) Aus Falck's staatsbürgerl. Magazin VII. Bd. (1827)
abgedruckt.
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das wesentlichste Mittelglied zwischen der
Regierung und den Regierten ist, und in unmittelbarer Berührung mit
der Masse des Volkes steht, wohl einer der reichhaltigsten wie auch
prüfendsten, ja derjenige zu nennen sein, für den die Vereinigung
der vorzüglichsten Eigenschaften des Menschen und des Staatsmannes,
wo nicht immer gefordert wird, doch am meisten gewünscht werden muß.
Der Amtmann hat durchweg den ersten Faden der geringfügigsten wie
der folgereichsten Verhältnisse in seine Hand zu nehmen, um sie
sofort zu erledigen, oder vorbereitet, weiter zu fördern; ihm liegt
die Ausführung der Gesetze und Anordnungen, ihre Anwendung auf den
einzelnen Fall ob; von ihm sollen die Anregungen zu verbesserten
Einrichtungen, zur Abhülfe dringender Noth, ausgehn; er soll sich
vertretend und vermittelnd zwischen den eindringenden Feind und
seine Schutzbefohlnen stellen; er soll in jedem Augenblick zugleich
dienen und herrschen; ihm ist kein Wissen zu viel, wenn es kein
todtes ist, wenn es ihn mit dem Zusammenhange der menschlichen Dinge
vertraut gemacht hat; Scharfsinn und Weltklugheit erproben sich mehr
in der Berührung mit Menschen, als mit Acten; und was nun überhaupt
erst den Mann zum Manne macht: die unerschütterliche Rechtlichkeit,
das selbstverläugnende Pflichtgefühl, das festbegründete Wohlwollen,
das sind wesentliche Eigenschaften desjenigen, der berufen ist,
überall auf frischer That zu handeln, zu richten, zu schlichten,
Ordnung und Frieden zu handhaben, die Leistungen beizutreiben,
Criminal-Untersuchungen zu leiten, viele nichtige, manche gerechte
Klagen zu hören, öfter zu strafen als zu belohnen, öfter
abzuschlagen als zu gewähren.
Diese Eigenschaften besaß der Mann, dessen kurzer Lebens-Abriß hier,
statt aller Lobrede, geliefert werden soll.
FRIEDRICH WILHELM COMPE ward den 28. August 1751
zu Hardegsen im Fürstenthum Göttingen geboren, wo sein
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Vater Licent-Einnehmer war. Er verlor seine
Eltern früh; durch die Unterstützung eines Oheims, des
Bürgermeisters EBBRECHT, aber ward er in den Stand gesetzt, zwei
Jahre auf dem Gymnasio in Hildesheim, und drei und ein halbes Jahr
die Rechte in Göttingen zu studiren. Es läßt sich annehmen, daß die
Anlagen des jungen COMPE schon damals Aufmerksamkeit erregten; denn
unmittelbar nach Beendigung seiner Studien ward ihm vom Königl.
Ministerio der Auftrag, die Stadt-Registratur zu Hardegsen in
Ordnung zu bringen, und 1775, im 24.
Jahr, sehen wir ihn bei dem Hannoverschen Amt Coldingen angestellt.
So früh schon bemächtigte sich der Dienst des jungen Praktikers, daß
er erst im Jahre 1777 sein Examen nehmen konnte. Er
erhielt darin das Prädicat: optime und den Vorzug vor
allen mit ihm zugleich Angestellten.
Von hier an ging er nun im vorgezeichneten Gleise, doch unter
günstigen Umständen, durch die treffliche Beamtenschule, die
Hannover an dem Institut seiner Amts-Auditoren besitzt, ein
Institut, das, wie es den Jüngling unter der Leitung erfahrner
Beamten in mannigfaltigen Geschäften übt, ihn in unmittelbare
Berührung mit Menschen und Verhältnissen aller Art bringt, so ihm
auch eine Aussicht auf künftige Beförderung sichert, und eine
Laufbahn öffnet, in der Fähigkeit und Wohlverhalten des Erfolgs
nicht verfehlen. Der Amts-Auditor ist vereideter und
verantwortlicher Staatsdiener, hat in dem Collegio, welches die
Beamten jedes Hannoverschen Amts bilden, Sitz, und wenn wir nicht
irren, berathende Stimme, und nimmt an den Geschäften des Amts oder
des Beamten, dem er zugetheilt ist, denjenigen Antheil, den seine
Vorgesetzten ihm anweisen; er dient ohne Gehalt, und muß sich jede
Versetzung gefallen lassen, wie das Bedürfniß des Dienstes sie
fordert, und die Bildung angehender Beamten sie häufig anzurathen
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pflegt. Für so wichtig wird diese Vorschule
gehalten, daß Jeder, der sich dem Staatsdienst im Innern, in welchem
Fach es auch sei, selbst in den Justizcollegien, widmen will, einige
Jahre in derselben verweilen muß.
COMPEompe blieb als Auditor bei dem Amte Coldingen bis zum Jahr
1779 und ward von da mit besonderen Aufträgen zu dem
damals an Hannover verpfändeten Lippe-Detmoldschen Amte Sternberg
versetzt.
Im Jahr 1780 ward er schon als Supernumerärbeamter
cum voto, und mit dem Charakter als Amtsschreiber beim
Amt Neustadt am Rübenberge angestellt, wo er bis 1786
blieb. In diesem Jahr ward ihm die Administration des Amts Nienover
in Solling anvertrauet, der er bis 1788 auf eine
ausgezeichnete Weise vorstand.
Nach Vollendung dieses Geschäfts erhielt COMPE in letztgedachtem
Jahr seine Ernennung als zweiter Beamter bei dem Amt Ratzeburg, wo
er während dreier Jahre, außer der, nach Hannoverschen Einrichtungen
dem zweiten Beamten vorzugsweise zufallenden Justizverwaltung, die
Geschäfte des ersten Beamten mit übernehmen mußte. Hier fand er,
während eines fünfjährigen Aufenthalts, Gelegenheit, die
gründlichste Einsicht in alle administrativen, ja in die
persönlichen Interessen des Lauenburgischen Landes zu erwerben, in
dem er nun einheimisch geworden war und blieb, mit dessen Wohlfahrt
und Verfassung er sich allmählig ganz identificirte. Schon damals
bezeichneten häufige ehrenvolle Aufträge in Landes-Angelegenheiten,
außer dem Kreise seines Amts, das Vertrauen, dessen er von Seiten
seiner Regierung genoß, und das mit dem seiner Mitbürger gleichen
Schritt hielt: gewiß für den Beamten ein so wünschenswerthes, als
leicht zu verscherzendes Ebenmaaß!
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In Ratzeburg hatte damals ein Verein wohlhabender
Häuser eine angenehme Geselligkeit einheimisch gemacht, die die
Residenz kaum entbehren ließ; hier verlebte COMPE, in der
freundlichen Dienstwohnung am Ufer des See's, mitten unter gehäuften
Arbeiten, die glücklichsten Jahre, die nur durch häufig
wiederkehrende Kränklichkeit getrübt wurden, deren er noch in seinem
Alter sich gern zu erinnern pflegte.
COMPE war von schwächlicher Gesundheit. Nur äußerlich von
athletischem Körperbau, schien er durch Neigung und Fähigkeit für
die Feder und eine sitzende Lebensart bestimmt, scheute er jede
heftige, körperliche Anstrengung, war ihm Jagdlust und Leibesübung
fremd. Häufige schwere Krankheiten forderten während seines
Jünglings- und früheren Mannesalters stete Sorge für seine
Gesundheit und ließen ihn selbst oft an längerer Lebensdauer
zweifeln. Von einfacher schlichter Sinnesart, wie er war, zog ihn
die Luft der Jugend wenig an; der Actentisch ward bald sein liebster
Sitz und die Gerichtsstube vorzugsweise sein Aufenthalt; eine
bequeme Geselligkeit am Abend, nicht auf Kartenspiel, vielmehr auf
gemüthlichen Austausch des Erlebten, und belehrende Mittheilung
gegründet, seine liebste Erholung. Seine durch angestrengte Arbeit
vermehrte Kränklichkeit im besten Mannes-Alter kann es allein
erklären, daß er, mit dem häuslichsten Sinn, mit allen
Eigenschaften, die den glücklichen Familienvater bilden, ehelos war,
und bis an sein Ende blieb.
Zum Theil war es wohl sein Gesundheitszustand, der ihn bewog, im
Jahr 1792 die ehrenvolle Berufung der Königl. Cammer
zur Gerichts-Schulzen-Stelle in Göttingen abzulehnen, die durch
Versetzung seines älteren Bruders nach Nienburg vacant geworden war,
theils aber auch das lebhafte Interesse für seinen damaligen
Wirkungskreis, und namentlich für das
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Verkoppelungsgeschäft, mit dem er hier bekannt
geworden war und dem er sich von da an mit unermüdetem Eifer
widmete.
Es war 1793, in seinem 43. Jahr, daß
COMPE, ohne sich darum beworben zu haben, zu der ersten
Beamtenstelle nach Schwarzenbeck berufen ward, wo er nach 34
Jahren sein Leben beschließen sollte. Das Amt ist nicht von den
größten, doch, da es an einer großen Heeresstraße, und mitten in den
Revieren des Sachsenwaldes gelegen, in polizeilicher Hinsicht nicht
ohne Beschwerde. Forstfrevel waren in jener Zeit, im Verhältniß zu
dem geringeren Wohlstande der Dörfer, sehr zahlreich.
Mit der ersten Beamtenstelle war eine mäßige Domainen-Pachtung, zu
günstigen Bedingungen, und außerdem auch der, an dem ehemaligen
Schloßgrund haftende Brau- und Brennzwang im Amt, verbunden, und der
Verstorbene genoß diese, nach heutigen Verwaltungsgrundsätzen
unzulässigen Begünstigungen, mit allen andern Vortheilen, durch
welche die damalige Domainen-Verwaltung Hannovers die Lage ihrer
ersten Beamten wünschenswürdig zu machen wußte. Diese Stellen waren
angenehm durch das Vertrauen, dessen sich der wohlgesinnte Beamte
von seinen Oberen erfreute; sie waren großentheils sehr einträglich,
und sollten es sein. Der erste Beamte, welchem in der Regel zunächst
die Hebung und die Führung der Geld-Register obliegt, von dem
folglich eine bedeutende Caution gefordert ward, mußte wo möglich
der Nahrungssorgen und jeder Versuchung zum Mißbrauch seiner
Stellung überhoben werden. - Daß er bei guter Oeconomie wohlhabend
lebe, allenfalls ein Capital sammle, war nicht unwillkommen; es
konnte sich auf diesem Wege, in dem von der Natur im Ganzen nicht
reich ausgestatteten Lande, ein stets nachwachsender Stamm von
Privatvermögen ansammeln, das sich in alle Zweige des höheren
Bürgerstandes verbreitet, und
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nicht wenig beigetragen hat, in schweren
Bedrängnissen Land und Leute aufrecht zu halten.
So war auch, im Allgemeinen, die Regierung dem Unterthan väterlich
gesinnt. Bei einem altherkömmlichen, und folglich unsystematischen
und verwickelten Steuerwesen, war möglichste Schonung des Bestandes
der Steuernden hergebrachter Grundsatz; mit einer wohlorganisirten
Rechnungs-Führung und Ablegung, und mit unnachsichtlicher Schärfe in
der Revision, verbanden sich billige Grundsätze über Remission
inexigibler Steuern. - Der Beamte lernte bald die beiden Endpunkte
seiner Aufgabe: das Interesse der Herrschaft, und das Wohl der
Untergebenen in Eine Dienstpflicht vereinigen: ja bei längerem
Aufenthalt in seinem Amt machte die natürliche Theilnahme an dem
Geschick seiner Pflegbefohlnen ihn oft, wo beide Forderungen zu
streiten schienen, zum unerschrockenen Vertreter der Amts-
Untergehörigen gegen das Interesse der Cammer, welches hinwiederum
von der, dem entfernten, nur wohlthätig wirkenden, so tief als
freudig verehrten Landesherrn gewidmeten Liebe und Ehrfurcht, scharf
geschieden ward. Der Beamte glaubte seinem Fürsten zu dienen, wenn
er den Unterthan vertrat: die allgemein verbreitete Ueberzeugung,
daß, damit des Fürsten Wille geschehe, war es, was unter langem
feindlichen Druck und schwerer Prüfung die treuen Herzen der
Unterthanen ihm erhielt.
So war in jener Zeit die Stellung der Hannoverschen Amtmänner;
unseres Bedünkens ein Muster jener halbpatriarchalischen
Verwaltung, die im Vertrauen auf die Person, eine Mischung mehrerer
Attribute und Functionen, einfache Formen für einfache Verhältnisse,
duldete, die sich aber freilich mit den Verwaltungsformen
französischen Ursprungs, von Friedrich des Großen und Napoleons
Zeiten her, mit strenger Trennung der Geschäftszweige,
tabellarischer Förmlichkeit,
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Vervielfältigung der Beamten und der Controllen,
wonach jeder Verwaltende als verdächtig vorausgesetzt wird, nicht
verträgt, und vielleicht auch den Anforderungen unserer Zeit, und
dem Geist scharfer Sonderung, den steigende Bildung herbeiführt,
nicht mehr genügen mag. Wie dem auch sei, jene älteren Formen
bildeten sich ihre Menschen, wie die heutigen Formen sich die
ihrigen einst bilden werden; denn eine Zeitlang überdauert der Geist
noch die Form, die veraltet ist und veredelt die neue, wenn er ein
guter war.
COMPE verdankte vielleicht einen großen Theil des unbedingten
Vertrauens, das er täglich mehr bei seiner Behörde erwarb, nicht
weniger der Gewissenhaftigkeit, mit der er gewohnt war, das
Interesse seiner Administrirten zu vertreten, als dem Scharfsinn und
der geduldigen Treue, die er bei Bearbeitung schwieriger und
verwickelter Geschäfte zu vereinigen wußte.
Dies angeborne administrative Talent benutzte die Regierung zu
häufigen außerordentlichen Aufträgen. COMPE hat in unzähligen
Commissionen zur Regulirung von öffentlichen und Privat-Geschäften
als Bevollmächtigter gearbeitet; es mogten wenige wichtige Arbeiten
dieser Art im Lauenburgischen Lande ohne seine Mitwirkung zu Stande
gebracht worden sein: ja, sein Rath und seine Thätigkeit ward auch
für die eigentlichen Hannoverschen Lande nicht selten in Anspruch
genommen. Und er arbeitete stets mit Erfolg. Sein sicherer Blick
entdeckte bald den Hauptknoten in jeder Angelegenheit; ein gleichsam
instinktartiger Widerwille gegen alles bloße Formenwesen, ließ ihn
immer, ohne allzuängstliche Furcht vor Verantwortlichkeit, auf dem
geradesten Wege zum Ziel gehen. Seine große Anspruchlosigkeit, sein
milder, billiger Sinn entwaffnete den übeln Willen und Eigensinn der
Mitarbeiter wie der Betheiligten. Er war ein Feind aller Processe;
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für Advocaten gab es selten in seinem Amte zu
thun, und fast niemals gedieh ein Rechtsstreit unter seinen Händen
in den langsamen Gang der schriftlichen Verhandlung. Im Vergleichen
streitender Partheien besaß er eine unübertreffliche
Geschicklichkeit, daher ihm auch von den oberen Behörden die
verwickeltsten Rechtsstreitigkeiten aus allen Theilen des
Herzogthums zum Zweck einer gütlichen Vereinbarung übertragen
wurden, den er fast nie verfehlte.
Unter die wichtigsten und gemeinnützigsten Geschäfte, denen der
Etatsrath COMPE sich damals mit dem größten Eifer widmete, und um
die er sich die größten Verdienste erwarb, gehört die allgemeine
Ausführung der Verkoppelungen im Herzogthum Lauenburg, an deren
erstem Gedeihen er, wie oben gesagt, bereits in Ratzeburg Theil nahm
und deren Vollendung er, mit Ausnahme weniger Dörfer seines Amts,
erlebt hat. Es begriff dieses Geschäft nicht etwa nur die
Auseinandersetzung der Gemeinden mit der Landes- (Guts-) Herrschaft
hinsichtlich der Hut- und Weidegerechtigkeit, und anderer
Mitbenutzung der herrschaftlichen Waldungen, und die damit
verbundene Bildung geschlossener Forsten einer- und Feldmarken
andrerseits, sondern es umfaßte auch nach hannoverschen
Verwaltungsgrundsätzen die noch schwierigere Aufgabe der möglichst
gleichen Vertheilung des Garten-, Wiesen- und Ackerlandes, nach Maaß
und Güte, unter die Bauerhöfe gleichnamiger Größe in jedem Dorf; und
es war damit zugleich die Aufhebung aller Hofdienste gegen ein
geringes Dienstgeld, und eine gleiche Setzung der so
gleichgestellten Höfe verbunden, unter denen früher, zum größten
Nachtheil der Leistungen, die sie zu tragen hatten, und der
Leistenden selbst, besonders in Kriegszeiten, nicht selten ein sehr
bedeutendes Mißverhältniß stattfand. Die Absicht der Regierung bei
dieser Maßregel war so wohlwollend, als die Ausführung zweckmäßig
und
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weise. In einem Königl. Rescript an die Cammer
ward es gleich anfangs ausgesprochen, daß es bei den Verkoppelungen
nur auf den Wohlstand der Unterthanen, nicht auf Vermehrung der
Domainen-Einkünfte abgesehen sei. Dennoch fand die Sache anfangs bei
dem, jeder Neuerung abgeneigten Landmann große Schwierigkeiten. Da
nun aller Zwang durchaus vermieden werden sollte, verstand sich die
Cammer bei den ersten Dorfschaften, die sich verkoppeln ließen,
dazu, alle sehr ansehnlichen Vermessungs- und Eintheilungs-Kosten zu
tragen; sie erließ die Abgaben auf 3 bis 4
Jahre, sie vertheilte mitunter, wo die Feldmarken zu klein waren,
ihren ganzen Forstgrund; sie machte unaufkündbare Vorschüsse in
baarem Gelde, schenkte das Holz zu neuen Gebäuden: eine um so
lobenswerthere Mäßigung, da, nach dem im Herzogthum Lauenburg
geltenden Meyerrecht, der Gutsherr vollkommener Eigenthümer des
Bodens, und der Bauer nur Nutznießer ist, ersterem auch das Recht,
seine Bauern in andere Dörfer zu versetzen, verfassungsmäßig
zusteht, und landesherrlich im Jahre 1718 nur dahin
beschränkt ist, daß die versetzten Bauern in Quantität und Qualität
vollständig entschädigt werden sollen. Doch bald bedurfte es dieser
außerordentlichen Aufmunterungen nicht mehr. Domainen- und
Guts-Dorfschaften baten von selbst um ihre Verkoppelung, wobei ihnen
noch immer die wesentlichsten Unterstützungen zu Theil wurden. Die
trefflichsten Dorfs-Einrichtungen, rücksichtlich der Wege, der
Befriedigungen, der Wasserabzüge und aller Commüne-Verhältnisse,
schlossen sich der Verkoppelung an; die Schuldienste fanden sich
verbessert, alle Servituten aufgehoben, jeder Bauer in einen
geschlossenen und abgerundeten Besitz eingewiesen. COMPE's
gründliche Kenntniß der bäuerlichen Verhältnisse überhaupt, das
lebhafte Interesse, das er an dem Wohl dieses Standes nahm, in dem
er den Kern des Staats erblickte, seine strenge Gerechtigkeit,
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seine ausharrende Festigkeit, seine unermüdete
Geduld, eigneten ihn ganz vorzüglich zur Leitung dieser Arbeiten,
deren unzählige ihm übertragen und von ihm mit Glück hinausgeführt
wurden. Ueber das Resultat derselben äußerte er sich im Jahre
1812, am Schlusse eines an eine Französische Behörde
erstatteten Berichts, der wegen seiner edlen Freimüthigkeit und
klaren Fassung ihm zur höchsten Ehre gereicht, folgendermaßen:
'"Eine Regierung, die ihr Glück darin sucht, wohlhabende
"Unterthanen zu haben, wie bei der hiesigen der Fall war, kann kein
Geld besser verwenden, als wenn sie es anlegt, die Verkoppelungen zu
befördern, das Herzogthum Lauenburg giebt hievon den besten Beweis;
vor 50 Jahren war der größte Theil des Landes noch
eine Wüstenei, die Bauern waren arm, und das Land erzeugte nicht so
viel Korn, als es gebrauchte. Durch die Verkoppelungen sind die
Haiden und Mööre verschwunden, es wird Korn ausgeführt, der
Viehstapel ist verbessert und vermehrt, und der Bauer ist so
wohlhabend geworden, daß er die 10 schweren
Kriegsjahre hat aushalten können, und sich auch noch halten würde,
wenn die jetzigen Abgaben nicht so hart wären, und wenn er die
Handelssperre nicht so tief fühlte."
____________________
Unter diesen ruhigen Friedens-Arbeiten verging ein
Jahr wie das andere. COMPE war nicht verheirathet, aber darum war
sein ansehnlicher Amtshof nicht weniger auf viele Meilen weit ein
Mittelpunkt der Gastfreiheit und Geselligkeit, wo ferne Bekannte
zusammentrafen, wo in dem wohlhabenden, trefflich eingerichteten
Hause die Freunde, familienweise, wochenlang herbergten, ungewiß, ob
ihnen der freundliche Wirth, oder sie diesem eine Wohlthat
erzeigten. Doch bei ausgesuchter Bewirthung herrschte im Hause
einfache Ordnung und Stille. Kein männlicher Bedienter ward
gehalten. Ein zuverlässiger
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und anstelliger Eingesessener des Dorfs wartete
den Gästen im Amtshause auf, wo alles den schlichten Sinn und das
Wohlwollen des Hausherrn athmete. Ausgebreitet wie COMPE's
Bekanntschaft war auch seine Correspondenz. Zu ihm wandte sich, wer
in schwierigen Fällen Rath bedurfte oder Unterstützung; wer mit
einem Proceß bedroht war, suchte seine Vermittlung oder sein
Gutachten; Partheien provocirten auf ihn. Väter empfahlen ihm die
Söhne. Von einem poetischen Freunde ward er scherzhaft das Väterchen
des Lauenburgischen Landes genannt.
COMPE beschäftigte sich gern, wenn gleich nicht in kleinlichem
Detail, mit der Landwirthschaft, eben weil er nicht ängstlich zu
rechnen brauchte. Die Verwaltung des gräfl. Kielmanseggeschen
Meyerhofs: Melusinenthal, den er in Pacht genommen, griff fördernd
in die Wirthschaft des herrschaftlichen Vorwerks ein.
Aber eine so glückliche Lage sollte durch schwere Prüfungen gestört
werden. Die großen Bewegungen der Zeit erreichten endlich auch den
abgeschiedenen Winkel Deutschlands, wo ein so würdiges Dasein
geführt ward.
Die Französische, Russische und Preußische Occupation der
Hannoverschen Lande in den Jahren 1803, 1805
und 1806, wozu für Lauenburg noch die Besetzung durch
Schwedische Truppen, und der Durchzug dreier französischer
Armee-Corps im Herbst 1806 kam, waren nur das Vorspiel
der Drangsale, die das Land in den folgenden Jahren trafen.
Während das Churfürstenthum Hannover dem Königreich Westphalen
überwiesen ward, bildete das Herzogthum Lauenburg einen
abgesonderten Verwaltungsbezirk, unter einem kaiserlichen
Intendanten, der dasselbe unmittelbar unter der höchsten Behörde,
und gewissermaßen unumschränkt, als Kron-Domaine administrirte. Der
Intendant d'AUBIGNOSC war
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ein kluger, im Ganzen wohlwollender Mann,
stattlich von Person, freundlich in seinem Wesen; er wohnte auf dem
Schlosse zu Lauenburg, wo Heinrich der Löwe gesessen hatte, freute
sich der schönen Aussicht, nahm das Interesse des kaiserlichen
Fiscus eifrig wahr, und ließ übrigens die Zivil- und
Justiz-Verfassung des Landes im gewohnten Gange; die Aemter
bestanden fort, nur wanderten die Ueberschüsse der Cassen nach
Frankreich. d'AUBIGNOSC fühlte sich wie ein kleiner König unter dem
gutmüthigen Völkchen, aber sein Kopf rastete so wenig wie der seines
Herrn. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß von dieser kleinen
administrativen Insel im deutschen Norden der Gedanke zur
Einverleibung der, schon seit 1807 besetzten,
Hansestädte und der Bildung jenes Departements der Elbmündungen
ausgegangen sei, dessen Name auf künftige Erweiterung hinzudeuten
schien, das vorerst aber mit dem incorporirten Holland und dem Rhein
durch andere neue Departements und die Abtretungen Westphalens
verbunden werden mußte. Als nämlich im Jahre 1807
Hieronymus Napoleon die übrigen Hannoverschen Lande überkam, glaubte
er mit Recht auch auf das kleine Lauenburg Anspruch machen zu
können. Die Verhandlungen deshalb waren eingeleitet und hatten guten
Fortgang; aber der junge übermüthige Fürst rechnete zu sicher
darauf. Er hatte die Ungeschicklichkeit, auf einer Reise in die
Nachbarschaft den Intendanten geringschätzig zu behandeln. Dieser
gelobte im Weggehen: Dafür solle ihm Lauenburg nicht werden. Ein
ausführlicher, meisterhaft gefaßter Bericht über die gegenwärtigen
Vortheile, die mögliche künftige Wichtigkeit dieser Besitzung, ging
nach Paris, und ward von dem einflußreichen Daru, damaligen Minister
der Kron-Domainen, dem Kaiser vorgelegt. Die Lage des kleinen
Herzogthums, das mit beiden Spitzen die Gebiete von Hamburg und
Lübeck berührt, durch Vereinigung mit beiden
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Städten die Ost- und Nordsee berühren würde, war
in der Denkschrift des Intendanten hervorgehoben, und hat,
wahrscheinlich, bis dahin unbestimmten Gedanken zuerst Körper und
Richtung gegeben.
COMPE, der treueste, ja ein leidenschaftlich anhänglicher Diener
seines rechtmäßigen Landesherrn, mußte von Anfang her durch seine
Tüchtigkeit, durch seine Landes- und Verwaltungskunde, fremden
Machthabern ein willkommener und brauchbarer Gehülfe sein; und
überall war er in der That für das Beste des Landes, bei
Truppenverpflegung und Wiederherstellung des Zerrütteten, thätig und
sorgsam gewesen. Den Franzosen nun war er, selbst bei mäßiger Uebung
in der Französischen Sprache, erst der rechte Mann. Bekannt mit den
Hülfsquellen des Landes, stets am Fleck, um durch kluges Nachgeben
und erleichternde Auswege größere Unbill abzuwenden, das streng
Geforderte auf das Mindeste herabzudingen, auf das Gelindeste zu
vertheilen und auf das Schnellste herbeizuschaffen, förderte er das
Interesse der Provinz, wandte er, in zuversichtlicher Hoffnung
besserer Zeiten, den Schaden der Landesherrschaft möglichst ab,
indem er sich den Maßregeln der aufgedrungenen Herren bequemte, die
zu hindern er nicht vermochte. Dadurch gelang es ihm, das Heer
ränkevoller Abenteurer und gieriger Emporkömmlinge fern zu halten,
die sich durch die Unfähigkeit, oder den Eigensinn der
Landesbehörden, in das Vertrauen der Commandirenden in besetzten
Ländern einzuschleichen pflegen. Die Franzosen hielten sich gern und
am liebsten an die Behörden des Landes, wo mit ihnen etwas
auszurichten war; sie wußten offnen Sinn und offene Rede zu
würdigen, und selbst Anhänglichkeit an die alte Herrschaft zu
verzeihen, wo nur ihnen Genüge geschah. Auch verschmähten sie die
gute Küche und den trefflichen Keller des Amthauses nicht. Man kann
von den Franzosen jener
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Zeit viel Schlimmes sagen; nur roués
waren sie nicht, das hatten sie in den Lagern nicht gelernt.
d'AUBIGNOSC wußte COMPE am besten zu schätzen, obgleich dieser seine
Gesinnung keineswegs verbarg. Er stellte ihn als Mitglied der zu
Lauenburg bestehenden Regierungs-Commission an. Nichts geschah in
Landes-Angelegenheiten ohne seinen Rath; er liebte ihn sogar, so
weit das zwischen zwei sehr heterogenen Wesen möglich war, und
leistete COMPE'n seinerseits manchen Dienst. - Unzähliges Böse ward
so verhindert; manches Gute gestiftet, noch mehres erhalten;
bedeutende Summen für öffentliche Anstalten und Gehalte hat COMPE
dem knappen Administrator abgerungen, die Waldungen, den Schatz des
Landes, unversehrt erhalten. Das Land befand sich nicht übel. Jeder
ging seinem Gewerbe nach.
Aber mit der Einverleibung in das große Reich, zu Anfang des Jahres
1811, endete plötzlich dieser leidliche Zustand.
d'AUBIGNOSC ward zu einem hohen Amte nach Hamburg abgerufen, an die
Stelle der provisorischen Verwaltung in alten Gleisen trat, wie mit
einem Zauberschlag, die Verfassung des französischen Reichs mit
ihren knappen Formen und ihren Verwickelungen; und Heuschrecken
gleich zogen über das Land die Zollbeamten, die Steuer-Einnehmer und
die Erheber der Registrirungs- und der Regie-Gebühren; den
Gerichten, der Verwaltung, ward ihr Mittelpunkt in Hamburg
angewiesen, die Bezirke auseinander gerissen, neue geschaffen;
Lauenburg hörte auf, ein geschlossenes Land zu sein.
Da sank COMPE'n Muth und Hoffnung, die ihn bisher aufrecht erhalten;
wie sollte in der Verwirrung der neuen Organisation, neuer Behörden,
seine Stimme gehört, wo ein Standpunkt für ihn gefunden werden? wo
war ein Ende abzusehn?
Schwarzenbeck war eine französische Commüne geworden. Man trug ihm,
dem einzigen Notabeln, die Stelle des Maire
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an; viele lagen ihm an, sie anzunehmen, um
dadurch mannigfaltig nützlich zu werden. Aber COMPE hatte Menschen
und Dinge nicht umsonst beobachtet; er wußte, der französische Maire
in den neuen Ländern sei nicht viel mehr als die unmittelbare
Handhabe der Unterdrückung, gebunden zu allem Guten, der Willkühr
der oberen Behörden willenlos dienstbar, der Schmerzträger der
ganzen Beamten-Hierarchie. Er lehnte das gehässige Amt entschieden
ab. Das eines Friedensrichters, welches ihm wenigstens eine amtliche
Stellung und einen nützlichen, wenn gleich unbedeutenden,
Wirkungskreis gab, nahm er an. Zum Maire ward ein in jeder Hinsicht
unbedeutendes Subject gemacht. COMPE nahm ihn in sein Haus, in dem
er, als Domainenpächter, vorerst gelassen worden, und an seinen
Tisch, und sicherte sich so einen nützlicheren Einfluß und eine
unabhängigere Stellung. Um die Zusammensetzung der Municipalität von
Schwarzenbeck zu bezeichnen, mag es genügen, zu sagen, daß der,
allen Freunden des Verstorbenen so wohl bekannte, redliche Diener
und Handwerker, dessen oben Erwähnung geschehen, die Stelle eines
Municipalraths bekleidete.
Langsam vergingen die beiden Jahre der Dienstbarkeit, in denen das
Volk neue Gesetze und neue Verbrechen kennen lernen mußte, eine
Gegenwart ohne Zukunft, abgelös't von der Vergangenheit.
COMPE nahm die Sache wie ein Mann: er half und nützte, wo er konnte,
durch seine Verbindung mit den einflußreichen Männern der neuen
Ordnung der Dinge, ward häufig zu Rathe gezogen, diente, selbst mit
Gefahr, Flüchtlingen, Abwesenden, Nothleidenden. Aber innerlich
nagte der Gram an ihm, und vielleicht würde er diese Zeit nicht
überlebt haben, wenn nicht der unerschütterliche Glaube an die
Vergänglichkeit einer so schnell begründeten Macht und an die
Wiederkehr
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einer bessern Zukunft ihn gehalten hätte. Als die
Vorboten dieser bessern Zeit begrüßte er mit unbeschreiblichem Jubel
zu Anfang des Jahrs 1813 die ersten Nachrichten von
den Siegen des Russischen Heers, und leitete in der Stille manche
Vorkehrungen zur Wiedereinführung der rechtmäßigen Landes-Verfassung
ein.
Mehr als je ward er in Anspruch genommen, erwies er sich
vermittelnd, rathend, hülfreich, in dem prüfenden Frühjahr
1813, wo auf Hamburgs Noth das Verderben der Umgegend
folgte, das Lauenburgische Land Kriegsschauplatz ward, in seinem
Hause Hauptquartiere tafelten, Verbannte und heimliche Boten auf den
Pfaden des Sachsenwaldes kamen und gingen. Da führte den eifrigen
Vaterlandsfreund sein Eifer oft weiter, als kluge Fürsorge für seine
persönliche Sicherheit hätte gestatten sollen.
Als während des Waffenstillstandes vom 4. Juni bis
17. August 1813 Schwarzenbeck des kurzen
Glücks genoß, in die Neutralitätslinie begriffen zu sein, mußte
COMPE im Französischen Hauptquartier in den Verdacht gerathen sein,
durch mitgetheilte Nachrichten die alliirten Truppen, welche in
Mecklenburg standen, begünstigt zu haben. Durch ein anonymes
Schreiben ward ein Großherzoglicher hoher Staatsbeamter in Schwerin
ersucht, COMPE warnen zu lassen, indem man ihn Französischer Seits
zu arretiren beabsichtige. Dies gab Veranlassung zu einer
Mittheilung an den General Tettenborn, welcher ihm darauf einen
gemessenen Befehl zugehen ließ, sich sofort von Schwarzenbeck nach
Lauenburg zu verfügen, um daselbst die über seine weitere Bestimmung
zu treffende Verfügung abzuwarten. Demzufolge mußte nun COMPE zum
erstenmal seine Heimath verlassen, in der er so viele Bedrängnisse
ausgedauert hatte; er begab sich zuerst unter Russischen Schutz nach
dem gräflich Kielmanseggeschen
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Gute Gültzow, und als die Französischen Truppen
nach Ablauf des Waffenstillstandes weiter vorrückten, ins
Mecklenburgische. Aber hier blieb er nicht lange müssiger Zuschauer
der Begebenheiten.
Sobald der Marschall Prinz von Eckmühl im Spätherbst desselben Jahrs
sich genöthigt gesehen, seine Macht in Hamburg zu concentriren, und
das Lauenburgische, so wie der größte Theil des Lüneburgischen von
den alliirten Truppen besetzt war, berief die in Lüneburg
angeordnete provisorische Regierungs-Commission den Amtmann COMPE
dahin, um ihn als Kriegs-Commissair mit der Verpflegung der Truppen
aus Magazinen zu beauftragen. Er nahm den Ruf bereitwillig an, und
es ist zu verwundern, wie er, in einem bereits vorgerückten Alter
und bei zarter Gesundheit, diesem, mit so unsäglichen Mühseligkeiten
und Gefahren verknüpften Geschäft mit so viel Kraft und Erfolg
vorstehen konnte.
Anfangs leitete er das Verpflegungswesen von Dannenberg aus; als
aber der größte Theil der Truppen zur Einschließung von Hamburg auf
dem linken Elbufer zusammengezogen ward, verlegte er den Sitz des
Kriegs-Commissariats im December 1813 nach Lüneburg.
Hier eröffnete sich ihm ein weiter, die angestrengteste Thätigkeit
erfordernder Wirkungskreis. Contracte wurden abgeschlossen, Magazine
an geeigneten Orten angelegt, Hospitäler errichtet. Unter seiner
Direction standen die Magazine zu Lüneburg, Lauenburg, Geesthacht,
Zollenspieker, Dannenberg. Dahlenburg, Radegast, Neuhaus, Winsen,
Hitfeld u.s.w.; er beaufsichtigte das Rechnungswesen der Hospitäler
zu Celle, Lüneburg, Lauenburg, Dannenberg, und bestritt deren
Ausgaben; er hatte das Thielemannsche Corps bei Radegast, das
Benningsensche Corps vor Hamburg zu verpflegen, und täglich für
15,000 Rthlr. Verpflegungs-Artikel nach Lauenburg zu
senden. Bei allen diesen weitläuftigen
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und schwierigen Geschäften bediente er sich nur
der Hülfe eines einzigen, aber sehr tüchtigen Privatsecretairs.
Von dem inzwischen in Thätigkeit gesetzten Königl.
Cabinets-Ministerio ward der ihm gewordene Auftrag unterm 15.
Decbr. in den schmeichelhaftesten Ausdrücken bestätigt.
Inzwischen kostete die Verpflegung so bedeutender Armee-Corps im
Lande unerschwingliche Summen, für welche die größten Anstrengungen
der öffentlichen Cassen nicht zureichen wollten. Die Lieferanten
kündigten die Contracte wegen mangelnder Zahlung.
COMPE ließ es nicht an den nachdrücklichsten Vorstellungen bei der
höchsten Behörde fehlen. Er zeigte, daß es unmöglich sei, durch
Requisition die erforderlichen Armeebedürfnisse herbeizuschaffen,
daß dies nur durch Lieferanten, und von ihnen nur geschehen könne,
wenn sie über bedeutende Summen disponiren könnten. So werde das
Ausbleiben der Zahlungen unfehlbar den Ruin des Landes, erst
Plünderung von Seiten der darbenden Truppen, dann ihren Rückzug aus
dem ausgesogenen Lande, endlich Hungersnoth und Verarmung der
Unterthanen zur Folge haben, welche aus Anhänglichkeit für ihren
rechtmäßigen Herrn so vieles Ungemach ertragen. "Und so schmerzlich
es mir auch ist," so schloß er seinen Bericht, "so muß ich doch
hinzufügen, daß ich in diesem Fall ebenfalls abtreten, und die
Geschäfte eines Kriegs-Commissairs aufgeben muß, weil ich ohne
Magazine nicht mehr nützen kann." Diese Vorstellungen bewirkten, daß
die Lieferanten aufs neue mit ansehnlichen Summen unterstützt und
zur Fortsetzung der Lieferungen bewogen wurden. Als jedoch durch die
immer zunehmenden Bedürfnisse die Landes-Cassen aufs Aeußerste
erschöpft, und keine Mittel zur Herbeischaffung der nöthigen Gelder
ausfindig zu machen waren, erklärte das Ministerium unterm 11.
Januar 1814, daß man, bei der Unmöglichkeit,
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ansehnliche Geldsummen herbeizuschaffen, damit
beschäftigt sei, auf eigne Rechnung Magazine zu unterhalten, und aus
den herrschaftlichen Kornböden zu füllen. COMPE wandte Alles auf,
die Regierung zu überzeugen, daß durch diese Maaßregel der Zweck
keinesweges erreicht, und es unmöglich sein würde, ohne regelmäßige
Lieferungen, Theurung und Hungersnoth abzuwenden. Wie erklärter
Feind des Papiergeldes er auch war, so schlug er doch vor, eine
halbe Million eines solchen Zahlungsmittels, das, wie eine jede
Anleihe, als eine Belastung der Zukunft zu betrachten sein werde,
lieber in Umlauf zu, setzen, als die Plünderung des Landes, die
Auflösung der Ordnung, den Rückzug des alliirten Heeres
herbeizuführen. "Die schrecklichen Folgen", so schloß er auch
diesmal, "werden Ew. gewiß bewegen, Mittel zu ergreifen, die von der
Art sind, daß die Lieferanten beibehalten werden. Soll dies nicht
geschehen, so bitte ich unterthänig, mich ablösen zu lassen und zu
erlauben, daß ich mich zurückziehen darf."
Es gelang auch diesmal noch, so energischen Vorstellungen Eingang
zu verschaffen, ohne zu dem vorgeschlagenen Mittel zu greifen. Es
erfolgten mit äußerster Anstrengung neue Geldanweisungen, und die im
März abgeschlossenen Contracte wurden bestätigt; die
Truppenverpflegung dauerte auf dem bisherigen Fuße fort, und COMPE
hatte zu den vielen Verdiensten um sein Vaterland das neue
hinzugefügt, es durch seine unerschrockne Beharrlichkeit vor
unabsehlichem Elend bewahrt zu haben.
Endlich verließ das Davoust'sche Armee-Corps Hamburg. Die
erleichterte Nachbarschaft athmete wieder auf. Der Kriegszustand
wich dem Frieden, die alten Verhältnisse knüpften sich wieder an,
die frühere Ordnung der Dinge trat in ihr gewohntes Gleis; das alte
Königshaus ward mit herzlicher Ergebenheit begrüßt. Es galt nun, so
vieles Zerrüttete
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wieder ordnen, der Noth abhelfen, des entblößten
Landes pflegen, während zugleich die geleerten Staats-Cassen für
außerordentliche Bedürfnisse ungewöhnliche Anstrengungen forderten.
Aber für COMPE war der Augenblick noch nicht gekommen, wo er sich in
seinem Amte diesen Sorgen und seinen häuslichen Angelegenheiten
hätte widmen, von so vieler Unruhe rasten können. Noch hatte er
keinen Fuß wieder in seine so hart mitgenommenen Besitzungen, in den
Kreis seiner Angehörigen und Freunde, in die Mitte seiner nach ihm
verlangenden Untergebenen setzen können, als ihm im Juni 1814
der höchste Auftrag ward, nach Abzug der Russischen Truppen vom
linken Elbufer, sich sofort nach Hamburg zu begeben, um daselbst das
Liquidations-Geschäft mit der Russisch-Polnischen Armee und den
übrigen Russischen Armee-Corps zu betreiben. COMPE bat, bei Annahme
dieses Auftrags, nur um Ansetzung eines Supernumerair-Amtschreibers
für Schwarzenbeck. "Ich will gern", schrieb er, "die öconomischen
Verluste ertragen, aber ich kann es nicht ruhig ansehen, wenn die
Unterthanen durch meine Abwesenheit leiden." Anfang Juni ging er
nach Hamburg, wo er, da sein Mit-Commissarius in derselben
Angelegenheit bereits nach St. Petersburg abgereis't war, das
Geschäft allein zu betreiben hatte. Es lag in der Natur der Sache,
daß dasselbe von der Russischen Behörde, an die er gewiesen war,
weder mit Neigung begonnen, noch mit Thätigkeit gefördert ward.
COMPE hatte mit unzähligen Schwierigkeiten zu kämpfen, und trotz
seines unermüdlichen Eifers hatte er, bis zum Decbr. 1814,
wo endlich seine Gegenwart in Schwarzenbeck nicht länger entbehrt
werden konnte, nicht zu irgend einem erwünschten Resultate gelangen
können. Er setzte die Liquidation von Schwarzenbeck aus fort, und
war endlich im Juli 1815 so glücklich, dem Königl.
Ministerio anzeigen zu können, daß die Kaiserl. Russische
Liquidations-
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Commission ihre Arbeiten beendigt und
2,001,291 Bco.-Mk. an Vergütung für Kriegsleistungen als
liquide angenommen habe. Bereits im März hatte er eine Million Rubel
in Banco-Assignationen in Empfang genommen, worauf ihm höchsten Orts
die vollkommenste Zufriedenheit mit Ausrichtung seines Auftrags
bezeigt ward.
COMPE glaubte mit Recht, sich nun ganz seinem eigentlichen und
liebsten Wirkungskreise widmen zu können, als nach drei Monaten, ein
neuer Beweis des besonderen Vertrauens seiner Regierung, ihn
abermals für eine noch entferntere und schwierigere Stellung in
Anspruch nahm. Das Fürstenthum Hildesheim, eine der bedeutendsten
Erwerbungen der Krone Hannover, war unter Westphälischer Hoheit des
größten Theils seiner ansehnlichen Domainen und geistlichen Güter
beraubt worden, welche die steten Geldverlegenheiten des Hofes zu
Cassel zu decken hatten dienen müssen. Pertinenzien aller Art,
Gebäude, Grundstücke, Güter von einem jährlichen Ertrag von weit
über 100,000 R[t]hlr.
waren, theils um geringe Preise,
unter den verschiedensten Umständen, an Speculanten und an
Eingesessene des Landes verschleudert worden. Es galt nun, von
Seiten der gegenwärtigen Landesherrschaft, diese Verkäufe zu
untersuchen, nach Befinden der Umstände, solche aufzuheben, die
veräußerten Objecte einzulösen, oder mit den Käufern billige
Abhandlung zu treffen. COMPE erhielt den Auftrag und die nöthigen
Vollmachten zu diesem weitläuftigen und intricaten Geschäft, "weil",
wie das desfalls an ihn erlassene Rescript sich ausdrückt, "Wir
denselben nur solchen Personen ertheilen können, welche sowohl in
Ansehung ihrer öconomischen Kenntnisse und Einsichten, als in
Hinsicht aller uns bekannten Gesinnungen des Diensteifers und der
Theilnahme am Wohl des Landes und Interesse der Landesherrschaft,
unser vollkommenstes und uneingeschränktes Vertrauen haben."
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Im September 1815 war COMPE also
schon wieder, fern von seiner Heimath und seinen Gewohnheiten, und
diesmal in eine durchaus fremde Umgebung, in ihm großentheils
unbekannte Verhältnisse versetzt. Aber auch hier erprobte sich seine
ganze Geschäftstüchtigkeit nicht weniger, als sein edler und gerader
Sinn. Während der sieben Monate seines Aufenthalts in Hildesheim
entledigte er sich nicht nur seines Auftrags für das Interesse des
Königl. Fiscus mit einer Umsicht, einer Gründlichkeit und einem
Fleiß, welche auf die ehrenvollste Weise in den deshalb an ihn
erlassenen Rescripten anerkannt worden, er schied auch, geehrt und
geachtet von den Einwohnern eines Landes, in dem er eine so
schwierige und in die zartesten Eigenthums-Verhältnisse eingreifende
Angelegenheit zu behandeln gehabt hatte. Und vor Allem sei es ihm
zur Ehre gesagt daß er sein stetes Streben dahin gerichtet, von den
solchergestalt reluirten und dem Staate wiedergewonnenen Gütern der
Kirche, so viel als möglich, ihrer früheren, wohlthätigen Bestimmung
zu erhalten, und gemeinnützigen, besonders den öffentlichen
Unterrichts-Anstalten zuzuwenden, welchen er selbst einen Theil
seiner frühesten Bildung verdankte. Daß seine, in den umfassenden
Berichten am Schlusse der Arbeit deshalb entwickelten, Vorschläge
Gehör gefunden, gereicht nicht weniger der liberalen Gesinnung
seiner Regierung zur Ehre.
Erst Ende April 1816 sah er sein Schwarzenbeck wieder,
nach beinahe dreijähriger Abwesenheit, die er in steter
Dienstthätigkeit zugebracht und die ihn, bei seiner ausgedehnten
Wirthschaft, große Opfer gekostet hatte. Aber noch lebhafter als
diese beschäftigten ihn bei seinem Eintritt in die alten Umgebungen
Gefühle anderer Art.
Schon im Juni 1815 war Lauenburg der Krone Dänemark
abgetreten, und nun stand die förmliche Uebergabe an die neue
Landesherrschaft unmittelbar bevor. Es galt,
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bei diesem Wechsel das eigne Schicksal
unwiderruflich zu bestimmen.
Auch wenn COMPE mit gewohnter Offenherzigkeit es nicht gestanden
hätte, daß die Wahl zwischen dem Uebertritt in die Dienste der neuen
Herrschaft, und der Anhänglichkeit an die alte ihn einen schweren
Kampf gekostet, so würde jeder, der ihn gekannt, es geahnet haben.
Einen treuern Hannoveraner, mit allen angebornen und anerzogenen
Eigenthümlichkeiten der Provinz, gab es nicht. An Winken seiner
Freunde, an zuverlässigen Aussichten auf sehr ehrenvolle Anstellung
und Beförderung, im Fall er bei Hannover verbleiben wolle, mag es
nicht gefehlt haben. Doch zuletzt entschied bei dem alternden Manne
die Anhänglichkeit an Lauenburg, an seinen ihm lieb gewordenen
gemüthlichen Wirkungskreis, an seine Gewohnheiten, die Furcht vor
neuer Schule, durch die das zum Königreich erhobene, aus seinen
alten Fugen gerückte, mit neuem Zuwachs vermehrte Hannoversche Land
in der Reorganisation zu gehen haben würde; auch wohl ein
begründetes und seitdem völlig gerechtfertigtes Vertrauen zu der
edlen Gesinnung des künftigen Landesherrn. COMPE ging mit seinem Amt
unter Dänemarks Scepter über. Ein solches Vertrauen fand gerechte
Anerkennung, und es ist gesagt worden, daß ein solcher Beamter nicht
die schlimmste von den Erwerbungen dieses Tausches gewesen sei.
Die Freunde des Verstorbenen sind Zeugen, daß er die getroffene Wahl
nie bereuet, vielmehr täglich neue Ursache gefunden, sich zu
derselben Glück zu wünschen, wenn er Lauenburgs Verfassung, in der
er lebte und webte, bis in ihre Einzelheiten auf das Sorgfältigste
geschont und geschützt, das Land, unter althergebrachter mäßiger
Besteuerung, in der Mitte härter angestrengter Nachbarländer,
schnell wieder aufblühen, durch weise Verwaltung die Spuren des
Krieges bald gänzlich
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vertilgt, sein eignes Verdienst nicht nur
anerkannt, sondern auf die ehrenvollste Weise ausgezeichnet sah.
Im Jahre 1817 ward er von der Gnade des Königs mit dem
Ritterkreuz des Dannebrog-Ordens (den Guelphen-Orden trug er schon
seit dem 1. Januar 1816), und im
September 1826 mit dem Ehrenzeichen der
Dannebrogsmänner beehrt. Schon im Jahre 1823 war er
zum Königl. Dänischen wirklichen Etatsrath ernannt worden.
Auch fehlte es im neuen Dienst, auf altem Platz, nicht an
mannigfaltiger Wirksamkeit, selbst in weiterem Kreise.
Unter den Special-Aufträgen, die ihm ertheilt wurden, beschäftigte
ihn die, im Jahr 1818 zwischen den Kronen Dänemark und
Hannover zur Auseinandersetzung über den abgetretenen Theil des
Herzogthums Lauenburg, in Hamburg zugelegte Liquidation, an der er
als einer der Königl. Dänischen Commissarien Theil nahm, am
längsten, so wie sie ihm Gelegenheit gab, durch seine gründliche
Kenntniß der Verfassung des Landes und seiner Verhältnisse
wesentlich zu nützen, ohne ihn doch zu verlängerten Abwesenheiten
aus seinem Wohnort zu nöthigen. Die Natur dieser Verhandlungen, die
Weitsichtigkeit der zu ziehenden Abrechnungen, und die
Nothwendigkeit, über staatsrechtliche Fragen, die zum Theil erst
während der Verhandlung entstanden, Verhaltungsbefehle einzuholen,
erlaubten keinen raschen Fortschritt; und die beständige Anwesenheit
des Ersten Königl. Bevollmächtigten in Hamburg erforderte nur von
Zeit zu Zeit COMPE's Aufenthalt daselbst für längere oder kürzere
Fristen.
Es lagen bei dieser Auseinandersetzung nicht blos Zahlenverhältnisse
vor. Durch den Abtretungstractat vom Jahr 1815 und
durch den Uebergabe-Receß vom Juli 1816 war eine alte
Hannoversche Provinz vom Mutterlande abgerissen, der administrative
nicht nur, sondern der eben so enge landschaft-
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liche Verband mit demselben aufgelös't, und das
Herzogthum Lauenburg wiederum, durch die Trennung des Amts Neuhaus
und der überelbischen Districte des Amts Lauenburg, die hannoverisch
geblieben waren, in sich zerstückelt worden. Die Aufgabe der
späteren Auseinandersetzung war es, die letzten Verbindungsfäden
aller Art möglichst schonend abzulösen. Außer den eigentlichen
Abrechnungen zwischen dem Fiscus der beiden Landesherrschaften, und
der noch weitschichtigeren zwischen der Lauenburgischen Landschaft
einer- und den übrigen Hannoverschen Landschaften anderseits
hinsichtlich der älteren Gesammtschulden, der Ausgleichung der
neueren Kriegslasten und der gemeinschaftlichen Forderungen an
fremde Mächte, und endlich der Auseinandersetzung der abgetretenen
und nicht abgetretenen Landestheile, mußte folglich eine Menge
anderer Gegenstände zur Erörterung und Erledigung kommen. Es war die
nunmehr getheilte Hoheit des Stromgebietes abzugrenzen, die
künftigen Verhältnisse des bis dahin ungetheilten Stromes zu
bestimmen, alles Gemeinsame der Verwaltung, wie auch einzelner
Institute und besonderer Interessen zu sondern, demnach sowohl
Hoheits[-] und Polizei-, als Commüne und Privat-Interessen, die durch
die Abtretung betheiliget worden, zu reguliren. COMPE war hier an
seinem Platz, und um so mehr, da es der Wille beider Kronen war, daß
dies Geschäft mit größter Berücksichtigung der Interessen des Landes
geführt werden solle.
Aber die Unterzeichnung des Recesses über diese Verhandlung, am
24. Juni 1826, fand COMPE schon an Kräften
wesentlich geschwächt. Häufiger wiederkehrende Unpäßlichkeiten
wichen immer langsamer der sorgsamsten Pflege und einer vorsichtigen
Diät. Schon fingen manche Amtsgeschäfte an, ihm beschwerlich zu
werden; und er rechnete es zu den besonderen Begünstigungen des
Geschickes, daß die angenehmsten collegialischen Beziehungen ihn
dies kaum fühlen und weniger bedauern ließen.
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Den darauf folgenden Winter hindurch kränkelte er
fast unausgesetzt. Vom Frühjahr des Jahres 1827 an
näherte sich das fromme und thätige Leben des Greises schneller
seinem Ziele. Seine Kräfte versanken allmählich; die Brust war
sichtbar angegriffen; seine Freunde fürchteten längst das
Schlimmste, als er, im Juni dieses Jahres, voll Hoffnung von seinem
Bette aus noch Verfügungen traf, den angekündigten Besuch seines
hochverehrten Königs zu empfangen, der schon auf einer früheren
Reise mit Vergnügen und Huld unter seinem Dache verweilt hatte.
Sanft verschied er am Morgen des 21. Juni 1827,
im Alter von beinahe vollendeten 76 Jahren. Keine Reue
konnte den Rückblick auf ein langes, wohlangewandtes Leben trüben.
Er war ohne Falsch, wie ohne Bitterkeit, durch eine lange thätige
Bahn und die Verwickelung unzähliger Geschäfte gegangen; und durfte
sich jemand der Hoffnung hingeben, keinen Feind zu haben, so war Er
es. Freunde, Nachbaren und Eingesessene des Amts folgten seinem
Sarge mit innigem Schmerz und dankbarer Erinnerung.
COMPE hat keine Nachkommen hinterlassen. Aber die Liebe zweier von
ihm adoptirten Kinder seines früher verstorbenen Bruders ließ ihn
die Entbehrung nicht fühlen; eine glücklich verheiratete Tochter und
ein Sohn, der im Königl. Hannoverschen Dienst der Bahn seines Oheims
unter den günstigsten Vorbedeutungen folgte, haben ihm die letzten
Pflichten geleistet.
Im November 1827.
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