Vaterländisches Archiv
für das Herzogthum Lauenburg

Dritter Band.
Ratzeburg. Verlag der Buchhandlung von H. Linsen. 1863.

[Heft 1 und 2: 1861; Heft 3: 1863]


II.

Zur Geschichte der Lauenburgischen Gesetzssammlungen.

____________________
 

Das Herzogthum Lauenburg entbehrt bekanntlich eine eigene und vollständige Gesetzsammlung, wie oft auch damit angefangen ist. Nach dem Ratzeburger Landtagsabschied von 1585 (8. October) war der Kanzler Dr. Hieronymus Schulz auf Marschacht mit Abfassung nicht einer Sammlung der lauenburgischen Justiz- und Polizeiordnungen, wie in der Regel behauptet wird, sondern mit der Abfassung eines Gesetzbuchs aus dem Material benachbarter Churfürstenthümer beauftragt, das indessen nicht zu Stande kam. Hieraus erklärt sich der große Einfluß der chursächsischen Constitutionen auf die hiesige Gesetzgebung (Duve, Mittheilungen S. 411). Das an den Botenmeister der Regierung 1733 erlassene Rescript, die jährlich erlassenen Verfügungen gehörig zu sammeln, scheint nicht beständig in Observanz geblieben zu sein.

Die Königliche Resolution vom 15. Sept. 1748 in Veranlassung des priv. de non appellando an die Ritter- und Landschaft bestimmt:

"Wir placidiren auch 6, daß unter Aufsicht Unseres Ministerii, und nächsthin Unserer Lauenburgischen Regie-

1863/2 - 86

1863/2 - 87

rung durch einige von Euch vorzuschlagende geschickte Männer eine Sammlung der lauenburgischen Verordnungen und Edicte, welche demnächst von Uns ihre Bestätigung bekomme, verfertigt, und auf weitere Communication mit Euch, als ein authentisches corpus constitutionum, in den Druck gegeben werde."

Der Dr. J. Scharff in Mölln (Landsyndicus von 1741 bis 1791) erhielt von Ritter- und Landschaft den Auftrag, die lauenburgischen Verordnungen zu sammeln, brachte die Arbeit aber nicht zu Stande.

Im Jahre 1771 fingen der Amtsauditor Manecke in Neuhaus und Secretariatsauditor Kauffmann in Ratzeburg eine Sammlung an, die später bei der Kielmansegge'schen Sammlung benutzt wurde.

Der Landdrost, Graf v. Kielmansegge (von 1771-1800) hatte sich während seiner Dienstzeit bemüht, dem Mangel einer Sammlung der lauenburgischen Verordnungen unter öffentlicher Auctorität abgeholfen zu sehen.

Nachdem der Entwurf Ritter- und Landschaft communicirt war, ward der Landrath v. Schrader auf Culpin beauftragt, das Projekt unter seiner Direction durch den Dr. Scharff und den Stadtsecretair Gundelach in Lauenburg revidiren zu lassen.

Von Seiten dieser Committee war man der Aufnahme einiger Verfügungen entgegen, wünschte aber die Aufnahme anderer, die die Lauenburgische Regierung nicht aufgenommen zu sehen wünschte, und bei anderen Verfügungen machten sich Zweifel geltend, ob selbige überall im Herzogthum Lauenburg Gültigkeit hätten.

Diese Zweifel wurden dem Ministerio bei Einsendung des Entwurfs zum corpus const. vorgelegt; die Zweifel wurden nicht erledigt; diese Sammlung wurde nicht veröffentlicht. Das eine Exemplar dieses Entwurfs soll im Archiv der Re-


1863/2 - 87


1863/2 - 88

gierung in Ratzeburg, das zweite im Archiv des Ober-Appellations-Gerichts in Celle sein.

Die Sammlung enthält 842 Verfügungen von 1586-1792, und ist mit einem vom Landdrosten, Grafen v. Kielmansegge ausgearbeiteten Register versehen.

Die Sammlung enthält viele werthlose Kammerausschreiben, die nur eine temporaire Bedeutung gehabt, übergeht alle Bestimmungen, worauf das lauenburgische Contributionswesen begründet ist, die Union von 1585.

In Ompteda's neuer vaterländischer Literatur der Hannöverschen Lande bis 1807 S. 461 wird bemerkt: "Die Auffindung der einzelnen lauenburgischen Verordnungen bleibt meist mit den größten Schwierigkeiten verbunden, da von manchen oft nur ein gedrucktes Exemplar noch vorhanden ist, welches sich denn wohl in Hannover befindet, und dagegen in Ratzeburg oder bei den Aemtern ganz fehlt."

Unter diesen Umständen war die Sammlung der Hannoverschen Landesverordnungen und Ausschreiben von Hagemann in Celle von 1813-1817 ein Verdienst, an welches sich die Spangenbergische Sammlung anschloß, von welcher Bd. IV. Abth. 2 für die ältere Zeit bis 1739 lediglich Lauenburg betrifft.

Bald nach Abtretung Lauenburgs an die Krone Dänemark verfertigte der Regierungsrath Prehn eine alphabetische Uebersicht der Lauenburgischen Verordnungen, welche handschriftlich in manchen Exemplaren existirt.

Später unternahm der Regierungsassessor v. Neergaard eine Sammlung, deren Vollständigkeit gerühmt wird, die sich im Archiv der Königlichen Regierung befinden soll.

Vom Jahre 1816 an ist die Richter'sche Sammlung vorhanden, an die sich für die neueste Zeit das officielle Wochenblatt anschließt.

1863/2 - 88


1863/2 - 89

Das officielle Wochenblatt der ersten Jahre ist vergriffen, und findet sich mancher Orten nur ein unvollständiges Exemplar, da Anfangs die Nothwendigkeit der Sammlung nicht bedacht ist.

Die Richter'sche Sammlung, wie wenig auch deren Verdienstlichkeit in Abrede gestellt werden soll, leider bekanntlich an mehreren großen Mängeln, von denen manche und zwar sehr begründete in den Bemerkungen des Dr. Ostwald in Falck's Archiv II. Heft 4 zusammengestellt sind.

Ein einfacher neuer Abdruck dieser auch bereits vergriffenen Sammlung mit allen ihren Fehlern und Mängeln muß als vollständig unthunlich erscheinen.

Eine vollständige Sammlung der geltenden lauenburgischen Verordnungen existirt demnach nicht, und würde es vor allen Dingen erwünscht sein, eine vollständige Sammlung der das öffentliche Recht und das Steuerwesen betreffenden Verfügungen veranstaltet zu sehen.

Wenn Welcker in seinem, bald nach Tradition des Herzogthums Lauenburg über die hiesige Gesetzgebung erstatteten, Bericht (bei Wenk, Annalen für Geschichte und Politik VI. 1. S. 29-41) bemerkt: "Dem Zufall bleibt es überlassen, ob manches Landesgesetz etwa einmal in die Hände oder in das Gedächtniß eines Sachwalters kommt, so daß er mit dessen unbekanntem Dasein vielleicht den Richter und die Gegenparthei überrascht, und alle bisher für unerschütterlich gehaltenen Rechtsverhältnisse umstürzt, oder ob alle das Landesgesetz in seinem ruhigen Schlafe lassen," so ist diese Bemerkung gewiß vollkommen gerechtfertigt, da nicht wenige Fälle vorliegen, daß sowohl Regierung als Hofgericht Hannoversche Verfügungen als gültig eingeschärft haben, die niemals für Lauenburg erlassen sind (cfr. Archiv II. S. 688).

1863/2 - 89


1863/2 - 90

Nach Belegen zu der Richtigkeit der Welcker'schen Klage braucht man nicht lange zu suchen.

Die Verordnungen von 1606, 1641 und 1692 wegen Nullität der nicht obrigkeitlich errichteten bäuerlichen Verträge sind bis zur Stunde noch, nachdem sie lange ganz vergessen waren, nicht allgemein bekannt, und manche Prozesse verdanken lediglich dieser Unbekanntschaft mit dem Gesetze ihren Ursprung.

Ist doch dem Verfasser dieser Zeilen vor kurzem noch der Fall vorgekommen, daß ein in Lauenburg beschäftigter Anwald die Existenz der annoch gültigen Verordnung vom 31. Januar 1649, wie die Prozeßsachen in prima instantia bei den Aemtern tractirt werden sollen, nicht kannte, nach der, wie noch 1844 in appellatorio anerkannt worden, den Aemtern in den in prima instantia vor ihnen verhandelten Sachen, die Beurtheilung, ob Advocaten dabeizuzulassen, überlassen bleibt.

Welcker hat demnach schon d. Z. vorgeschlagen, aus den besonderen lauenburgischen Landesverordnungen "passende und zweckmäßige Auszüge zu machen, und nach deren Promulgation die Gültigkeit der Originalverordnungen abzuschaffen," wogegen andererseits mehrfach der Wunsch ausgesprochen ist, die Neergaard'sche Sammlung veröffentlicht zu sehen.

Selbst noch in neuester Zeit, bei den Debatten in dem Reichsrath in Copenhagen über die Hollenbecker Domainenfrage, hat sich der Mangel einer Kunde der Rechtszustände des Landes sehr fühlbar gezeigt, indem den Aeußerungen des Ministers manche Einwände aus den älteren Documenten entgegengesetzt hätten werden können, wenn solche den Betreffenden bekannt gewesen wären.


1863/2 - 90
 


1863/2 - 91

Es ist daher sehr erfreulich, zu vernehmen, daß in neuester Zeit das Bedürfniß einer revidirten Sammlung der Verordnungen sich immer allgemeiner geltend gemacht hat, und der Plan erörtert wird, ob nicht durch gemeinschaftliche Beiträge der Königlichen Kasse und der landschaftlichen Kasse die Kosten einer solchen Gesetzsammlung für das Herzogthum Lauenburg aufgebracht werden können.
 

____________________

[Heft 1: 1861]
 

 



 

 

 

 



*