Das Herzogthum Lauenburg entbehrt bekanntlich
eine eigene und vollständige Gesetzsammlung, wie oft auch damit
angefangen ist. Nach dem Ratzeburger Landtagsabschied von 1585
(8. October) war der Kanzler Dr.
Hieronymus Schulz auf Marschacht mit Abfassung nicht einer Sammlung
der lauenburgischen Justiz- und Polizeiordnungen, wie in der Regel
behauptet wird, sondern mit der Abfassung eines Gesetzbuchs aus dem
Material benachbarter Churfürstenthümer beauftragt, das indessen
nicht zu Stande kam. Hieraus erklärt sich der große Einfluß der
chursächsischen Constitutionen auf die hiesige Gesetzgebung (Duve,
Mittheilungen S. 411). Das an den Botenmeister der
Regierung 1733 erlassene Rescript, die jährlich
erlassenen Verfügungen gehörig zu sammeln, scheint nicht beständig
in Observanz geblieben zu sein.
Die Königliche Resolution vom 15. Sept. 1748
in Veranlassung des priv. de non appellando an die
Ritter- und Landschaft bestimmt:
"Wir placidiren auch 6, daß unter Aufsicht Unseres
Ministerii, und nächsthin Unserer Lauenburgischen Regie-
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rung durch einige von Euch vorzuschlagende
geschickte Männer eine Sammlung der lauenburgischen Verordnungen und
Edicte, welche demnächst von Uns ihre Bestätigung bekomme,
verfertigt, und auf weitere Communication mit Euch, als ein
authentisches corpus constitutionum, in den Druck
gegeben werde."
Der Dr. J. Scharff in Mölln (Landsyndicus von
1741 bis 1791) erhielt von Ritter- und
Landschaft den Auftrag, die lauenburgischen Verordnungen zu sammeln,
brachte die Arbeit aber nicht zu Stande.
Im Jahre 1771 fingen der Amtsauditor Manecke in
Neuhaus und Secretariatsauditor Kauffmann in Ratzeburg eine Sammlung
an, die später bei der Kielmansegge'schen Sammlung benutzt wurde.
Der Landdrost, Graf v. Kielmansegge (von 1771-1800)
hatte sich während seiner Dienstzeit bemüht, dem Mangel einer
Sammlung der lauenburgischen Verordnungen unter öffentlicher
Auctorität abgeholfen zu sehen.
Nachdem der Entwurf Ritter- und Landschaft communicirt war, ward der
Landrath v. Schrader auf Culpin beauftragt, das Projekt unter seiner
Direction durch den Dr. Scharff und den Stadtsecretair
Gundelach in Lauenburg revidiren zu lassen.
Von Seiten dieser Committee war man der Aufnahme einiger Verfügungen
entgegen, wünschte aber die Aufnahme anderer, die die Lauenburgische
Regierung nicht aufgenommen zu sehen wünschte, und bei anderen
Verfügungen machten sich Zweifel geltend, ob selbige überall im
Herzogthum Lauenburg Gültigkeit hätten.
Diese Zweifel wurden dem Ministerio bei Einsendung des Entwurfs zum
corpus const. vorgelegt; die Zweifel wurden nicht
erledigt; diese Sammlung wurde nicht veröffentlicht. Das eine
Exemplar dieses Entwurfs soll im Archiv der Re-
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gierung in Ratzeburg, das zweite im Archiv des
Ober-Appellations-Gerichts in Celle sein.
Die Sammlung enthält 842 Verfügungen von
1586-1792, und ist mit einem vom Landdrosten, Grafen v.
Kielmansegge ausgearbeiteten Register versehen.
Die Sammlung enthält viele werthlose Kammerausschreiben, die nur
eine temporaire Bedeutung gehabt, übergeht alle Bestimmungen, worauf
das lauenburgische Contributionswesen begründet ist, die Union von
1585.
In Ompteda's neuer vaterländischer Literatur der Hannöverschen Lande
bis 1807 S. 461 wird bemerkt: "Die
Auffindung der einzelnen lauenburgischen Verordnungen bleibt meist
mit den größten Schwierigkeiten verbunden, da von manchen oft nur
ein gedrucktes Exemplar noch vorhanden ist, welches sich denn wohl
in Hannover befindet, und dagegen in Ratzeburg oder bei den Aemtern
ganz fehlt."
Unter diesen Umständen war die Sammlung der Hannoverschen
Landesverordnungen und Ausschreiben von Hagemann in Celle von
1813-1817 ein Verdienst, an welches sich die
Spangenbergische Sammlung anschloß, von welcher Bd. IV.
Abth. 2 für die ältere Zeit bis 1739
lediglich Lauenburg betrifft.
Bald nach Abtretung Lauenburgs an die Krone Dänemark verfertigte der
Regierungsrath Prehn eine alphabetische Uebersicht der
Lauenburgischen Verordnungen, welche handschriftlich in manchen
Exemplaren existirt.
Später unternahm der Regierungsassessor v. Neergaard eine Sammlung,
deren Vollständigkeit gerühmt wird, die sich im Archiv der
Königlichen Regierung befinden soll.
Vom Jahre 1816 an ist die Richter'sche Sammlung
vorhanden, an die sich für die neueste Zeit das officielle
Wochenblatt anschließt.
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Das officielle Wochenblatt der ersten Jahre ist
vergriffen, und findet sich mancher Orten nur ein unvollständiges
Exemplar, da Anfangs die Nothwendigkeit der Sammlung nicht bedacht
ist.
Die Richter'sche Sammlung, wie wenig auch deren Verdienstlichkeit in
Abrede gestellt werden soll, leider bekanntlich an mehreren großen
Mängeln, von denen manche und zwar sehr begründete in den
Bemerkungen des Dr. Ostwald in Falck's Archiv
II. Heft 4 zusammengestellt sind.
Ein einfacher neuer Abdruck dieser auch bereits vergriffenen
Sammlung mit allen ihren Fehlern und Mängeln muß als vollständig
unthunlich erscheinen.
Eine vollständige Sammlung der geltenden lauenburgischen
Verordnungen existirt demnach nicht, und würde es vor allen Dingen
erwünscht sein, eine vollständige Sammlung der das öffentliche Recht
und das Steuerwesen betreffenden Verfügungen veranstaltet zu sehen.
Wenn Welcker in seinem, bald nach Tradition des Herzogthums
Lauenburg über die hiesige Gesetzgebung erstatteten, Bericht (bei
Wenk, Annalen für Geschichte und Politik VI. 1. S.
29-41) bemerkt: "Dem Zufall bleibt es überlassen, ob
manches Landesgesetz etwa einmal in die Hände oder in das Gedächtniß
eines Sachwalters kommt, so daß er mit dessen unbekanntem Dasein
vielleicht den Richter und die Gegenparthei überrascht, und alle
bisher für unerschütterlich gehaltenen Rechtsverhältnisse umstürzt,
oder ob alle das Landesgesetz in seinem ruhigen Schlafe lassen," so
ist diese Bemerkung gewiß vollkommen gerechtfertigt, da nicht wenige
Fälle vorliegen, daß sowohl Regierung als Hofgericht Hannoversche
Verfügungen als gültig eingeschärft haben, die niemals für Lauenburg
erlassen sind (cfr. Archiv II. S.
688).
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Nach Belegen zu der Richtigkeit der Welcker'schen
Klage braucht man nicht lange zu suchen.
Die Verordnungen von 1606, 1641 und
1692 wegen Nullität der nicht obrigkeitlich errichteten
bäuerlichen Verträge sind bis zur Stunde noch, nachdem sie lange
ganz vergessen waren, nicht allgemein bekannt, und manche Prozesse
verdanken lediglich dieser Unbekanntschaft mit dem Gesetze ihren
Ursprung.
Ist doch dem Verfasser dieser Zeilen vor kurzem noch der Fall
vorgekommen, daß ein in Lauenburg beschäftigter Anwald die Existenz
der annoch gültigen Verordnung vom 31. Januar
1649, wie die Prozeßsachen in prima instantia
bei den Aemtern tractirt werden sollen, nicht kannte, nach der, wie
noch 1844 in appellatorio anerkannt worden, den
Aemtern in den in prima instantia vor ihnen
verhandelten Sachen, die Beurtheilung, ob Advocaten dabeizuzulassen,
überlassen bleibt.
Welcker hat demnach schon d. Z. vorgeschlagen, aus den besonderen
lauenburgischen Landesverordnungen "passende und zweckmäßige Auszüge
zu machen, und nach deren Promulgation die Gültigkeit der
Originalverordnungen abzuschaffen," wogegen andererseits mehrfach
der Wunsch ausgesprochen ist, die Neergaard'sche Sammlung
veröffentlicht zu sehen.
Selbst noch in neuester Zeit, bei den Debatten in dem Reichsrath in
Copenhagen über die Hollenbecker Domainenfrage, hat sich der Mangel
einer Kunde der Rechtszustände des Landes sehr fühlbar gezeigt,
indem den Aeußerungen des Ministers manche Einwände aus den älteren
Documenten entgegengesetzt hätten werden können, wenn solche den
Betreffenden bekannt gewesen wären.
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Es ist daher sehr erfreulich, zu vernehmen, daß
in neuester Zeit das Bedürfniß einer revidirten Sammlung der
Verordnungen sich immer allgemeiner geltend gemacht hat, und der
Plan erörtert wird, ob nicht durch gemeinschaftliche Beiträge der
Königlichen Kasse und der landschaftlichen Kasse die Kosten einer
solchen Gesetzsammlung für das Herzogthum Lauenburg aufgebracht
werden können.
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[Heft 1: 1861]
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