Vaterländisches Archiv
für das Herzogthum Lauenburg

Zweiter Band.
Ratzeburg. Verlag der Buchhandlung von H. Linsen. 1860.
 


VII.

Die Prozeßstatistik des Amts Steinhorst.
Vom Herrn Amtmann, Kammerherrn von Warnstedt.

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In einem Aufsatz über Friedensgerichte in dem 81. Heft der deutschen Vierteljahrsschrift heißt es:

"Wer die vergleichenden Proceßtabellen der einzelnen deutschen Staaten durchgeht, wird mit gerechtem Schmerz erfüllt werden, wenn er die trostlose Ueberzeugung gewinnt, daß FAST DURCHGÄNGIG AUF DREI FAMILIEN JÄHRLICH EIN PROCESS GERECHNET WERDEN KANN" - und ferner "kein Gericht wird sich finden, daß eine Proceßtabelle aufzuweisen hätte, in welcher auf hundert Processe zehn als durch Vergleich erledigt einzutragen sind."

Da eine Proceßstatistik nicht ohne Interesse ist, wollen wir nachstehend die betreffenden Verhältnisse im Amte Steinhorst betrachten, welches nach der letzten Zählung 6170 Einwohner und 1267 Familien enthält.

Für die letzten 7 Jahre ergibt sich nachfolgende Proceßstatistik:

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Zur Erläuterung dieser Tabelle diene Folgendes:

Ein Jeder, welcher beim Amt eine Streitsache einklagen will, meldet sich mündlich, und läßt die Namen der Partheien und den Klagegegenstand in das Citationsbuch eintragen, worauf zu dem nächsten der Gerichtstage, die zweimal in der Woche gehalten werden, eine Citation ausgefertigt wird, wofür incl. der Insinuationskosten von 8
lüb. Cour., 12 lüb. Cour. bezahlt wird. In der Regel wird jede bis zum Montag angemeldete Streitsache am nächsten Freitag, jede bis zum Donnerstag angemeldete Sache am nächsten Dienstag vorgenommen.

Die Partheien erscheinen dann in dem angesetzten Termin, wenn sie sich nicht vorher schon verglichen und der Citant seine Citation zurückgenommen hat, persönlich; daß Advocaten auftreten, kommt ganz ausnahmeweise vor.

Nachdem beide Partheien resp. ihre Klage und ihre vermeintlichen Einwendungen kurz vorgetragen, ohne daß etwas
 

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zu Protocoll genommen wird, sucht das Amt die Partheien zu vergleichen, und macht einen entsprechenden Vorschlag, oder räth dem Kläger auch, seine Klage zurückzunehmen, da er dieselbe aus näher dargelegten Gründen schwerlich gewinnen könne.

Eine große Anzahl von Streitsachen wird auf diese Weise, sei es, daß die Partheien sich vor dem Termin schon verglichen, oder daß gleich, bei dem von Gerichts wegen vorgenommenen Vergleichsversuch ein Vergleich vermittelt wird, erledigt, und finden in solchen Fällen, wo das Resultat kurz ad marginem der betreffenden Sache im Citationsbuch bemerkt wird, keine weitere Kosten Statt, als die oben bemerkten für Ausfertigung und Insinuation der Citation 12
lüb. Cour. - Wünschen die Partheien die Aufnahme eines gerichtlichen Vergleichs, oder findet das Amt eine solche für nothwendig, um später ein solches Document zur Hand zu haben, so wird ein gerichtliches Protocoll über den Vergleich aufgenommen, und für ein solches 12 lüb. Cour., die gewöhnliche Terminsgebühr, bezahlt.

Eine Vergleichung der Rubriken 1. in der vorstehenden Tabelle mit Rubriken 2. 3. 4. 6. ergibt, eine wie große Anzahl von Sachen durch Vergleiche hier erledigt wird, sowohl gerichtlich aufgenommene, als ohne Förmlichkeit geschlossene. Als eigentliche Proceßsachen bleiben nur die Rubriken 3. 4. 6. zu betrachten. Nach Rubrik 3. sind nach einem 7jährigen Durchschnitt jährlich 37 Sachen gleich im ersten Termin endlich durch einen Spruch Rechtens erledigt, und nach Rubrik 6. jährlich durchschnittlich 14 Sachen nicht weiter, als bis zum Beweisinterlocut gediehen, worauf die Partheien sich außergerichtlich verglichen, oder der Kläger seine Klage hat ruhen lassen.

Wenn eine Sache in dem ersten Termin gleich spruchreif ist, so betragen die Kosten eines solchen Processes, an Kosten der Citation und Insinuation, sowie des Gerichtstermins, mit dem Erkenntnisse, welches in continenti gesprochen wird, 24


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lüb. Cour. - Es bleiben also reichlich 21 Sachen jährlich durchschnittlich nach, die ein weiteres Beweisverfahren nothwendig gemacht haben, und erst nach vollständig geführtem Proteß entschieden sind.

Die Rubrik 5. gibt Auskunft über die Zahl der Sachen, in denen Rechtsmittel eingelegt und prosequirt sind.

Bei den als unentschieden aus den letzten Jahren aufgeführten Sachen ist, da die Acten nicht wieder an das Amt zurückgelangt sind, anzunehmen, daß sie confirmirt sind.

Es würde von Interesse sein, wenn aus den übrigen Gerichtsbezirken des Landes ähnliche Proceßtabellen mitgeteilt würden.



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