Vaterländisches Archiv
für das Herzogthum Lauenburg

Erster Band.
Ratzeburg. Verlag der Buchhandlung von H. Linsen. 1857
 


 

XIV.

Miscellen.

4. Zur Kunde des Armenwesens. *)
 


In Sachen der Dorfschaft Gr. Klinkrade, Klägerin, gegen die Dorfschaft Kühsen, Beklagtin, wegen Aufnahme des Häuslings JUNGE, erkennen Königl. Dänemarkische, zum Hofgerichte des Herzogthums Lauenburg verordnete Hofrichter, Räthe und Assessores hiemit für Recht.

Da es

1. in factischer Hinsicht, als richtig angenommen werden muß, daß der Tagelöhner Junge in Kühsen geboren ist, aber mehrere Jahre in Klinkrade GEWOHNT, sich mit einer im letzten Orte geborenen Frau verheirathet, und in seiner Ehe mehrere daselbst gleichfalls geborne Kinder erzeugt hat, endlich aber im Jahre 1829 an seinem gedachten Wohnorte Klinkrade mit seiner Familie obdachslos, und ein Gegenstand der polizeilichen Fürsorge des Amts Steinhorst geworden ist,

da ferner

2. eine solche obdachslose Familie, ohne Zweifel, zu den nach

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*) Die nachfolgenden Entscheidungen sind für die Kunde der Anwendung der Verordnung vom 19ten März 1735 so wichtig, daß ein Abdruck derselben im Archiv von Interesse sein dürfte.

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der Verordnung vom 19ten März 1735 zu behandelnden Armen gerechnet werden muß;

3. da die Armen im Herzogthume Lauenburg, zwar für sich selbst kein klagbares Recht auf Versorgung, sondern nur einen Anspruch auf Almosen haben, welche ihnen, mit Rücksicht auf ihre Hülfsbedürftigkeit, Würdigkeit und Arbeitsfähigkeit bewilligt werden, jedoch Streitigkeit zwischen einzelnen Ortschaften darüber, welche von ihnen die Last der Armenpflege zu übernehmen habe, allerdings zu rechtlicher Entscheidung geeignet sind, der vorliegende Fall auch von der Königl. Regierung auf den Weg Rechtens verwiesen ist, indem die polizeilichen, auf Abhülfe eines augenblicklichen Nothstandes gerichteten Regiminalverfügungen, nur provisorisch, und salva via juris, zu verstehen sind; da

4, wenn in einzelnen Fällen von der Regierung dem Geburtsorte eines Armen die Aufnahme desselben aufgegeben sein mag, der Grund solcher Verfügung doch nicht sowohl in einer vermeintlichen Absicht, die verordnungsmäßigen Principien abzuändern, als vielmehr in der besonderen Beschaffenheit der speciellen Fälle gesucht werden muß;

5. da die Verordnung vom 19ten März 1735, welche § 11 und 15 bestimmt, daß die eingebornen Armen an dem Orte, wo sie resp. geboren sind, oder gewohnt haben, unterstützt werden sollen, den Geburtsort keineswegs vor dem Wohnorte verpflichtet vielmehr aus dem § 13 der gedachten Verordnung sich ein Gegentheil ergiebt, daß kein an einem Orte einmal wohnhafter Arme weggewiesen werden darf, diese Erklärung der Verordnung auch den vom foro originis und domicilii geltenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen entspricht, nach welchem das forum originis nicht weiter in Betracht kommt, wenn ein forum domicilii erworben ist.

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Da

6. die Ehefrau und ehelichen Kinder an dem Gerichtsstande des Wohnorts des Ehemannes Theil nehmen, selbige auch im vorliegenden Falle selbst, wenn die mehrgedachte Verordnung, nicht nach den gemeinschaftlichen Grundsätzen interpretirt würde, ihren eigenen Geburtsorte, mithin der klagenden Dorfschaft, welche alsdann die Principien, die sie für sich anführt, auch gegen sich gelten lassen müßte, zur Last fallen würden;

So wird die Klägerin mit ihrer sowohl angebrachtermaaßen als überhaupt unstatthaften Klage ab- und zur Ruhe verwiesen; und werden übrigens die Kosten, bewandten Umständen nach, compensirt.

Von Rechtswegen.
Publicirt Ratzeburg

in ordinaria den 21sten August 1830.
 


Namens Sr. Königl. Majestät.
 

Auf die am 29sten Decbr. 1830 hieselbst eingebrachte Rechtfertigung der Appellation des Syndicus der Dorfschaft Gr. Klinkrade, Amts Steinhorst, Hufner Groth daselbst, Klägerin, Implorantin, contra die Dorfschaft Kühsen, Amts Ratzeburg, Bekl., Imploraten, wegen Aufnahme des Häuslings Junge, wird dem Imploranten hiemit zum Bescheid ertheilt, daß, da die Entscheidungsgründe des Hofgerichts sub Nro. 1, 2, 3, 4, 5 ganz den Worten und dem Sinne der Verordnung vom 19ten März 1735, wegen Versorgung und Verpflegung der Armen, entsprechen, indem in dieser Verordnung der Grundsatz aufgestellt ist, daß wenn einheimische Arme, welche in einem Orte wohnhaft sind, unterstützt werden sollen, der Wohnort zur Unterstützung verpflichtet ist; zum Begriffe des Wohnhaftseins aber weder Ansässigkeit mit liegenden Gründen, noch Gewinnung des Bürger-

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rechts erforderlich ist, da ferner, wenn man auch annehmen wollte, daß die erwähnte Verordnung vom 19ten März 1735 hier nicht entscheidend wäre, weder aus einem Gewohnheitsrechte, noch aus dem gemeinen Rechte, noch aus der Natur der Sache, sich nachweisen läßt, daß der Ort, wo ein einheimischer Armer wohnt, den Geburtsort rechtlich in Anspruch nehmen kann, den Verarmten selbst überall oder mit seiner Familie zur Unterstützung und Versorgung anzunehmen, - das eingebrachte Gesuch nicht statt finde.


V. R. W. unter vorgedruckten Königl. Insiegel. Gegeben im Königl. Holst.-Lauenb. Obergericht zu Glückstadt den 1sten Mai 1831.

(L. S.) gez. Levsen. Rönne.
 



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Destinon.
 



(Auf derselben Seite): 5. Über Brandversicherungen.
 

 

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