| Im ersten Hefte dieser Zeitschrift ist versucht
worden, die allgemein übliche Gliederung der Schulen in ELEMENTARE
und HÖHERE aus dem Begriffe des Berufes und aus der Art abzuleiten,
wie dieser Beruf sich bei einzelnen Individuen faktisch gestaltet.
Es ist gezeigt worden, wie ungeachtet gemeinsamer elementarer
Grundlage sich dennoch ein thatsächlicher Unterschied zwischen den
Stadt- und Landschulen herausstellt, und endlich ist in ganz
allgemeinen Umrissen der Bildungsmittel der höheren Schulen gedacht
worden. Auf die Gliederung der höheren Schulen, namentlich der
Gymnasien in einzelne Klassen näher einzugeben, schien überflüssig,
da dieselbe theils allgemein feststeht und bekannt ist, theils Fälle
des Abweichens von dem Allgemeinen aus lokalen und.temporären, also
ganz speciellen Gesichtspunkten zu beurtheilen sind. Ohne daß
absichtlich bei dieser oben erwähnten Gliederung an die
lauenburgischen Schulverhältnisse angeknüpft worden wäre, hat sich
doch die in Lauenburg Statt findende, weil eben naturgemäß
entstandene, Gliederung der Schule ergeben. Lauenburg hat 1. eine
höhere Schule an seiner Gelehrtenschule zu Ratzeburg,
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2. drei Stadtschulen - zu Ratzeburg, Möllen und
Lauenburg - und 3. gegen 100 Landschulen, welche noch dazu alle
durch eine gemeinsame Oberschulbehörde, das Königliche Consistorium
zu Ratzeburg, äußerlich zu einem Ganzen verbunden sind. Günstige
Verhältnisse, von denen viel Gutes zu erwarten wäre. Dennoch ist es
zu bedauern, daß diese günstigen Verhältnisse dem Lande nicht den
Segen bringen, der mit Recht gefordert werden muß. Oder erscheint
diese Behauptung zu stark gegenüber der bei den Soldaten des aus
Holsteinern und Lauenburgern zusammengesetzten 14ten
Infanterie-Bataillons gemachten Wahrnehmung, daß die Lauenburger im
Durchschnitt gegen die Holsteiner an Bildung zurückstehen? oder
gegen die Wahrnehmung, daß die meisten Knaben vom Lande, deren
Eltern wohl die Mittel haben, auch ihren Kindern das Opfer bringen
wollen, sie nach Ratzeburg auf die Gelehrtenschule zu schicken,
nicht so weit kommen, um für Quinta reif zu sein? Entweder können
sie nicht genug, oder wenn dieses, so sind sie zu alt. Ja, wenn
überhaupt die Gelehrtenschule zu Ratzeburg, die doch ein
Landesinstitut ist, noch viel zu wenig von den Landeskindern benutzt
wird. Es sind dieses Tatsachen, die jedenfalls den Ausspruch
rechtfertigen, Lauenburgs Jugend hat von den Schulen des Landes
nicht den erwünschten Nutzen. Im Folgenden sollen einige Ursachen
dieser Erscheinung angeführt, zugleich Ansichten über Beseitigung
der Hemmnisse ausgesprochen werden.
Unter allen Hemmnissen ist wohl das Bedeutendste daher auch zuerst
zu erwähnende die Mangelhaftigkeit der Elementarbildung. Im § 18 der
Instruction für die Lehrer der Gelehrtenschule zu Ratzeburg heißt
es: „in die unterste Classe ist kein Schüler aufzunehmen, welcher
nicht wenigstens richtig liest, einiger Maaßen geläufig und
orthographisch schreibt, und im Rechnen, so wie in der biblischen
Geschichte einen guten Anfang gemacht hat." Die Unbestimmtheit des
„guten Anfangs" ist für
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die biblische Geschichte durch Beschränkung
derselben auf die Haupterzählungen und für das Rechnen durch die
Forderung der vier Species mit ganzen unbenannten Zahlen zu
Folge-Conferenzbeschlusses der Lehrer ausgeglichen. Wer diese
Forderungen ansieht, wird fürwahr dieselben nicht zu hoch finden,
und sicher doch mit uns die Möglichkeit annehmen, daß ein mit
6 Jahren
schulpflichtiger Knabe ihnen mit 10 Jahren nachkommen kann. Zehn
Jahre nehmen wir durchgehends als das Alter an, in welchem ein Knabe
in Quinta eintreten soll. Genügen die Knaben dieser Forderung? Meist
nicht, sondern die wenigsten kommen mit zehn Jahren zur Aufnahme,
und oft müssen zwölf bis vierzehnjährige Knaben abgewiesen werden,
weil sie weder lesen noch schreiben können, des Rechnens nicht zu
gedenken, womit es überhaupt immer am schwächsten bestellt ist.
Fragt man nun, woher das kommt, so ist fast immer die Antwort, daß
der bisherige Unterricht nicht getaugt habe, die Schule entweder
mangelhaft eingerichtet war, oder gar der Lehrer nicht so gewesen
sei, als er wohl hätte sein müssen.
Es mag vielleicht wahr sein, daß ein großer Theil der
Elementarlehrer wegen mangelhafter Vorbildung nicht im Stande ist,
eine Schule auf einem auch nur einiger Maaßen guten Stande zu
halten, und würde mit aller Kraft darauf zu dringen sein, daß die
Behörde für Abstellung dieses Uebelstandes Sorge trüge; doch ist
gerade die Behörde bemüht, diese Uebelstände zu heben. Aber ihre
Bemühungen scheitern an dem leidigen Geldpunkte. Wie nämlich in
allen Verhältnissen nur gegen angemessenen Lohn gute Arbeiter zu
erhalten sind, so ist auch rücksichtlich der Elementarlehrer nur
dann Gutes zu verlangen, wenn sie auch nur einiger Maaßen anständig
honorirt sind. So lange aber die meisten Schulstellen der Art dotirt
sind, daß ihre Inhaber den drückendsten Nahrungssorgen Preis gegeben
sind, wenn sie nicht ein anderes Nebengeschäft - dieses wird
freilich als das renta-
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belste das Hauptgeschäft - treiben, so lange ist
auch den Lehrern nichts vorzuwerfen, wenn sie in der Schule nicht
das sind, was sie sein müßten. Der Vorwurf trifft vielmehr die,
welche die Mittel zur Subsistenz der Lehrer herbeizuschaffen haben;
und oft auch diese nicht ein Mal, sondern häufig walten Umstände und
Verhältnisse ob, die sich mit gebieterischer Macht auch den am
besten gemeinten Bestrebungen entgegen stellen. Dennoch bleibt fest
stehen, daß man erst die nöthigen Mittel zur Verbesserung der
Elementarlehrerstellen beschaffen muß, bevor man bedeutendere
Ansprüche an die Leistungen der Lehrer machen darf.
Doch die Geringfügigkeit der Gehalte ist auch nicht allein die
Ursache; denn sonst müßten die von der Aufnahme in die
Gelehrtenschule Zurückgewiesenen vorzugsweise aus den kleineren
Schulen mit schlechtem Gehalte der Lehrer gekommen sein. Das sind
sie aber nicht, sondern aus den größeren, ja sogar Stadtschulen
werden oft die Knaben entweder unreif oder zu alt für Quinta
geliefert, ja aus Schulen, an denen anerkannt tüchtige Leute
unterrichten. Traurig wäre es, hier Stumpfheit sämmtlicher Kinder
anzunehmen; die Ursache liegt hier vielmehr weder in dem Lehrer noch
in den Lernenden, sondern in einem Mangel in der Schuleinrichtung.
Man fordert nämlich von dem Elementarlehrer nach meinem Ermessen
Unmögliches, indem man von ihm verlangt, er solle eine große Zahl -
oft hundert und darüber - von Kindern, welche noch dazu auf einer
sehr ungleichen Alters- und Bildungsstufe stehen - eben
schulpflichtige und der Confirmation nahe - zu gleicher Zeit
gedeihlich unterrichten. Diese Forderung stellt man nicht bloß etwa
in entlegenen kleinen Landschulen, sondern auch mehrklassigen in
Stadtschulen, deren Klassen weit entfernt davon, Glieder eines
gemeinsamen Organismus zu sein, eben so viele von einander
unabhängige Schulen zu sein scheinen, als Klassen vorhanden sind. Es
ist noch nicht lange her, daß dieses
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auf die Ratzeburger Stadtschule volle Anwendung
fand, Dieselbe besteht aus einer Kantorklasse (für Knaben), der
Mädchenoberklasse und zwei andern Schulklassen (Elementarklassen),
wozu noch die selbstständige Armenschule kommt. Wenn nun auch die
eine Elementarklasse für die Kantorklasse, die andere für die
Mädchenoberklasse vorbereitete, so bleiben doch noch immer viel zu
viel Kinder demselben Lehrer gleichzeitig überlassen, und eine
nothwendige Folge davon, daß noch immer aus den Elementarklassen
schwächere Kinder confirmirt werden; also die getadelte
Ungleichmäßigkeit. In Möllen ist die Organisation günstiger, indem
hier zwar auch nur zwei Elementarklassen sind, aber die
Mädchenschule aus drei, die Knabenvolksschule aus zwei einander
subordinirten Klassen besteht, der beiden Abtheilungen der
Rectorklassen nicht zu gedenken, welche in Ratzeburg wegen der
daselbst befindlichen Gelehrtenschule nicht erforderlich sind.
Ungeachtet dieser günstigeren Verhältnisse zählt doch in Möllen die
1ste Elementarklasse 74, die 2te 84 Kinder, Zahlen, die hinlänglich
dafür sprechen, daß den Lehrern noch eine große Arbeit aufgeladen
ist. Und wiederum ist die Arbeit gering gegen das, was in Ratzeburg
einem Lehrer zugemuthet wird. Bei drei oder vier auf einander
folgenden Klassen, und der Schulbesuchszeit von 8 Jahren - vom 6ten
bis 14ten Jahre - sind zweijährige Klassencurse festzuhalten,
während in Ratzeburg diese vierjährig sein müssen. Diese Zeit würde
schon bedeutend abgekürzt, und der Standpunkt der Kinder einer
Klasse gleichmäßiger, wenn die beiden für die Oberklassen
vorbereitenden Klassen an Statt einander coordinirt zu sein,
einander subordinirt wären. Eine Verminderung der Zahl der Kinder,
die ein Lehrer gleichzeitig zu unterrichten hat, erwächst aus dieser
Einrichtung nicht, wohl aber eine größere Gleichartigkeit der Kinder
derselben Abtheilung. Reichten die Mittel aus, so würde eine
Trennung der Kinder
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nach dem Geschlechte auf diesen vorbereitenden
Stufen jedenfalls erwünscht sein.
Noch weit weniger gegliedert sind die Landschulen, namentlich die
mit einem einzigen Lehrer. Hier erscheinen sämmtliche Kinder
gleichzeitig des Morgens und werden dann in drei Vormittags- und
drei Nachmittagsstunden beschäftigt. Natürlich hat hier die
Ungleichartigkeit der Kinder den höchsten Standpunkt erreicht. Der
größte Theil der Kinder wird oft nicht vom Lehrer selbst
beschäftigt, sondern der sogenannten Selbstbeschäftigung überlassen,
die um so unfruchtbarer ist und um so leichter in träumerisches
Dasitzen ausartet, je niedriger der Standpunkt der Kinder ist. Zur
Aushülfe läßt man wohl diese Selbstbeschäftigung von fähigeren,
größeren Kindern beaufsichtigen, entzieht aber natürlich dadurch
diese dem Unterricht des Lehrers. Günstiger ist der Fall, wo dem
Lehrer ein Gehülfe zur Seite steht; ist aber nur ein Schullokal
vorhanden, so stört wieder dieser Doppelunterricht in demselben
Lokale. Sollte nicht eine geringere Stundenzahl, in welcher die
Kinder fest und ernst und ungestört von dem Lehrer beschäftigt
wären, vortheilhafter sein? Ich glaube das nicht nur, sondern kann
eine Erfahrung für meine Ansicht anführen. Die mir bekannte Schule
des Kirchdorfes L., zu welcher außer L. noch zwei andere Dörfer
gehören, wird von ca. 200 Kindern besucht. An derselben unterrichten
zwei Lehrer. Die Schule ist in die sogenannte große und kleine
Schule getheilt, so daß diese die Kinder von 6 bis 10, jene von 10
bis 14 Jahren umfaßt. Jede dieser beiden Abtheilungen zerfällt
wieder in 2 Klassen. Die Klassen I und II, die großen Schüler werden
im Winter von 8 bis 12 resp. auch 11 Uhr, die Klassen III und IV von
11 resp.12 bis 2 Uhr unterrichtet; im Sommer beginnt die Schule
schon um 6 Uhr und dauert bis 12 Uhr. Da nun selbstverständlich zwei
Schulstuben zu Gebote stehen, so kann sich jeder Klasse der darin
unterrichtende Lehrer ganz hin- 1857/8 - 182
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geben. Aus Klasse I werden die Kinder confirmirt,
und nur ausnahmsweise einzelne aus der 2ten Klasse, was jedoch stets
als eine Art Schimpf gilt. Diese Einrichtung stieß Anfangs auf
manche Schwierigkeiten, da sie auch Folgendes gegen sich hat: 1) die
Kinder haben eine geringere Zahl von Unterrichtsstunden; 2) die
kleineren entlegen, namentlich nicht im Schuldorfe wohnenden Kinder
müssen den Schulweg ohne Begleitung der größeren machen, was
vorzugsweise im Winter bedenklich erscheinen mag; 3) die Lehrer
müssen 6 Stunden nach einander unterrichten, eine allerdings saure
Arbeit. Dagegen bietet sie die Vortheile, daß 1) gleichzeitig
weniger und nur gleichartige Kinder von demselben Lehrer
unterrichtet werden, wodurch 2) die Arbeit des Lehrers sehr
vermindert wird; 3) können die Schullokalitäten kleiner, daher
minder kostspielig sein, und 4) werden unbemittelte Eltern mit
zahlreicher Familie selten, oder doch nur auf kurze Zeit alle ihre
zum Brodterwerb oft nöthigen Kinder entbehren müssen. Im Ganzen
erwies sich die Einrichtung als zweckmäßig, und wurde in
Nachbargemeinden nachgeahmt. Zu bemerken ist noch, daß die Schule
niemals ganz ausgesetzt wurde; denn auch in der dringendsten
Erndtezeit ward der Unterricht, wenn auch mit ermäßigter Stundenzahl
(d. h. die großen Schulkinder haben 4 bis 6 Wochen lang, je nach der
Dauer der Erndte nur zwei Stunden täglich), fortgesetzt. Wo und wie
weit diese Einrichtung empfehlens- und nachahmungswerth sein mag,
muß nach lokalen Umständen ermessen werden.
Bevor man jedoch an irgend welche andere Verbesserung der Schulen
ernstlich denken kann, ist darauf Bedacht zu nehmen, die
Lehrerstellen zu verbessern, um tüchtige Leute als Lehrer fordern zu
können. Man sollte meinen, daß dieß unschwer sei, aber die Frage
„woher das Geld nehmen?" ist nicht so leicht zu beantworten. Es mag
immerhin wahr sein, daß eine Schulsteuer, welche auf den Grundbesitz
vertheilt wird, ohne die Grundbesitzer
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wesentlich zu drücken, völlig genügen würde.
Dagegen ist jede permanente Steuer eine nach Verhältniß ihrer Größe
mehr oder weniger bedeutende Entwerthung des Grundbesitzes. Eine
kopfweise Vertheilung, so nahe sie liegen mag, da die Zahl der
Schulkinder sich nach der Kopfzahl richtet, würde die Unbemittelten
zu hart drücken, und von den Bemittelteren im Verhältniß zur
Wichtigkeit der Sache zu geringe Opfer fordern. Wie oft hört man
wiederholen: „Wenn es nur gilt, eine Eisenbahn oder Chaussee oder
dergleichen anzulegen, so ist das Geld bald beschafft, für Kirchen
und Schulen, überhaupt für geistige Interessen ist nie Geld da." Bei
näherer Betrachtung ist die Sache sehr richtig und einfach zu
erklären; denn bei Anlagen für die Verbesserung des materiellen
Lebens ist die Rechnung einfach. Man calkulirt so: Jetzt ist die
Ausgabe so groß; nach Vollendung der Anlage so groß, mithin im
letzteren Falle eine Minderausgabe von so und so viel, also klarer
Gewinn; - oder jetzt ist der Gewinn so und so viel, nachher so und
so viel größer, oder wenn dieß nicht, so ist die Bilance Null,
zugleich aber eine große Annehmlichkeit beschafft. Kurz es stehen
hier stets ein Einnahme- und ein Ausgabeposten, die sich numerisch
begründen lassen, einander gegenüber. Anders bei Anlagen und
Ausgaben für die Förderung geistiger Interessen. Hier liegt ein
materieller Einnahmeposten in der Regel gar nicht vor, und der
Gewinn, rein geistiger Art ist für viele, die die materiellen
Ausgaben machen sollen, gleich Null. Wäre es möglich eine derartige
Rechnung anzustellen: wenn der Volksschullehrer sorgenfrei dasteht,
so lernen die Kinder so und so viel mehr, und werden befähigt, so
und so viel mehr dermaleinst zu verdienen, auch kommen sie so und so
viel schneller so weit, sich ihren Unterhalt zu verdienen, und
könnte man das Alles genau nach Geldwerth angeben, so wäre es wohl
möglich, eine Aktiengesellschaft zu gründen, oder eine Anleihe zu
beschaffen, die allmählig amortisirt werden könnte. So aber
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treten sich nur Ausgabe auf der einen und gar
kein, oder doch kein unmittelbarer, materieller Gewinn auf der
andern Seite gegenüber, und die Bereitwilligkeit, geistigen
Interessen, hier ins Besondere das Volksschulwesen zu fördern, hängt
daher lediglich von der Werthschätzung dieser Interessen von Seiten
derer ab, welche die materiellen Mittel in den Händen haben. Es ist
nun keinem Zweifel unterworfen, daß diese Werthschätzung um so
größer ausfällt, je höher der Bildungsgrad der Abschätzenden ist.
Um nun zu ermessen, wie groß die Ausgabe für das Elementarschulwesen
sein muß, gehen wir von der jetzt vorhandenen Zahl der Schulen und
der für dieselben nöthigen Lehrer aus. In Lauenburg sind gegenwärtig
101 Landschulen, wozu noch die Stadtschulen in Ratzeburg mit
5, in
Möllen mit 8, in Lauenburg mit 4 Lehrern kommen. Es sind also im
Ganzen 118 Hauptlehrer nöthig. Dazu mögen noch höchstens circa
40
Adjunkten, Unterlehrer und Präparanden kommen. Wenn wir nun rechnen,
daß im Durchschnitt jeder Hauptlehrer mit den Naturallieferungen an
Dienstland, Wohnung, Holz u. dgl. 400
L.-M. jährlich, jeder
Gehülfe 150
L.-M. erhielte, so erhält man für die
Hauptlehrer: 47,200
, für die Gehülfen
6000
, also im
Ganzen eine jährliche Ausgabe von 53,200
. Nun darf man
ziemlich sicher annehmen, daß die Commünen jetzt die Hälfte dieser
Summen schon zusammenbringen, und es blieben demnach noch 26,600
jährlich zu decken, was zu 4 pC. einem Capitale von
665,000
gleichkommt. Das sind große Zahlen; aber mit einer Kleinigkeit ist
auch nicht gründlich zu helfen. Es klingt allerdings nicht viel,
wenn man hört, die permanente jährliche Abgabe sei per Kopf ungefähr
½
gleich, oder die permanente Steuer betrage pr. Morgen
Landes 3 ½
, aber multiplicirt man
3 ½
mit der Morgenzahl eines
ansehnlichen Guts, so ergibt sich die Größe der Abgabe augenfällig.
Außer der Größe des Beitrages tritt uns eine andere Schwierigkeit
entgegen.
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Es sind nämlich schon mehrere Schulstellen so
dotirt, daß sie den oben angegebenen Durchschnitt erreichen und es
fragt sich nun, sollen diese Schulkommünen, welche ihre Lehrer schon
jetzt besser besolden, zu den Beiträgen herangezogen werden oder
nicht? Sollten sie keinen Vortheil davon haben, so wäre es Unrecht,
sie zu Beiträgen heranzuziehen. Da aber diese jetzt schon besser
dotirten Stellen durchschnittlich die mehr Arbeit und Umsicht
fordernden sind, so würde es eben auch richtig sein, sie demnächst
in Vergleich zu andern auch besser zu dotiren. Wenn daher auch oben
als Durchschnittseinnahme 400
angegeben wurde, so ist damit
nicht gesagt, daß nicht einzelne Stellen besser sein könnten,
während andere, gewissermaaßen Anfängerstellen, geringer dotirt
würden. Jedenfalls hätten die Schulgemeinden mit bessern Stellen
stets den Vorzug, daß sie nicht bloß bei der Wahl der anzustellenden
Lehrer größere Ansprüche an Tüchtigkeit machen könnten, sondern
auch, daß ihre Schullehrer ihnen fester blieben, ein Vorzug, den sie
auch jetzt schon haben, doch bei einer allgemeinen Gleichmachung der
Stellen verlieren würden. Würden ferner die Gehülfen, welche ja auch
in den zahlreichern Schulen zunächst nöthig sind, ganz aus jenen
allgemeinen Mitteln besoldet, die durch eine Vertheilung der
gedachten 26,600
auf das ganze Herzogthum eingehen, so wäre
auch dadurch den größeren, daher mehr zum allgemeinen Schulfond
beitragenden Schulkommünen, ein Ersatz geboten. Demnach wäre, wenn
es sich um durchgreifende Verbesserung der materiellen Verhältnisse
des Elementarschulwesens handelte, jeder nach Kräften heranzuziehen.
Schwierig ist die Sache, namentlich der Geldpunkt zu erledigen, und
gewiß schwieriger als die Leute träumen, welche bei dergleichen
Angelegenheiten als drittes Wort: „Lauenburg ist ein reiches Land"
im Munde führen; wenn man aber an ihre Taschen anklopft, nicht
zugestehen wollen, daß auch ihr Tröpflein zu dem überströmenden
Landesreichthume gehört. Möge doch gar bald sich
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der große Reichthum des Landes dadurch zeigen, daß
das Lauenburgische Elementarschulwesen von dem Drucke befreiet wird,
welchen die jetzt nur all zu mäßige Besoldung der Lehrer darauf
ausübt!
Die Erfüllung dieses Wunsches dürfte gar bald die Abstellung des
Grundes zur Klage über die mangelhafte Vorbildung der Lehrer heben;
denn man könnte dann fordern, daß die jungen Leute eine den
Bedürfnissen vollkommner entsprechende Vorbildungsanstalt besuchten,
als die für sie jetzt bestimmte Präparanden-Anstalt in Ratzeburg.
Denn daß dieses Institut nur ein Nothbehelf ist, wird wohl kaum
jemand bezweifeln, der weiß, daß die ganze Arbeit der Vorbildung der
Volksschullehrer ein Paar Männern als Nebengeschäft übertragen ist,
welche durch ihre sonstige amtliche Stellung schon hinlänglich in
Anspruch genommen sind, nämlich dem zweiten Geistlichen an der
Stadtkirche und einem der Lehrer an der Stadtschule zu Ratzeburg.
Wenn es sich nur darum handelte, diesen oder jenen Lehrgegenstand
vorzutragen, könnte eine solche Einrichtung genügen. Es ist aber
mehr nöthig. Nicht etwa ein großes Seminarium mit einem bunten, mit
philosophischen, naturwissenschaftlichen, überhaupt realistischen
Vorlesungen (?!) ausgespickten Lehrplane. Wollte man sich nicht
entschließen, die jungen Leute, die sich dem Schulfache widmen,
behufs ihrer Ausbildung nach einer sogleich zu erwähnenden
Probezeit, auf ein ausländisches Institut zu senden, so würde doch
dringend nothwendig sein, daß ein Mann, am besten ein pädagogisch
gebildeter Theologe reiferen Alters, doch nicht zu alt, als Lehrer,
väterlicher Freund und Führer der Präparanden an der Spitze stünde.
Allen Unterricht könnte er nicht ertheilen, aber den wichtigsten
müßte er ertheilen. Nebenunterrichtsgegenstände würden sich durch
anderweitige Lehrkräfte in Ratzeburg beschaffen lassen. Diesem
Hauptlehrer dürfte aber auch keine andere Arbeit obliegen, als die
für sein Amt als Lehrer der
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Präparanden; denn er hätte damit vollauf zu thun.
Jedenfalls würde durch eine derartige Einrichtung von Seiten der
Lehrenden den Lernenden eine größere Kraft zugewendet, als jetzt
billiger Weise gefordert werden kann. Wie an die Lehrenden könnte
man bei besseren Aussichten für die Zukunft auch an die Lernenden
größere Ansprüche machen. Zunächst schon beim Eintritt in das
Institut. Wenn jetzt die Vorbildung eines Quartaners der
Gelehrtenschule für den Eintritt in das Institut genügt, so ist
dieses offenbar zu wenig ; denn ein auch zur Versetzung reifer
Quartaner hat nothdürftig die ersten Schwierigkeiten überwunden,
welche einem gedeihlichen Lernen im Wege stehen, ist daher für den
Besuch einer Berufsschule nicht reif. Macht diese auch noch so wenig
Ansprüche, so muß sie doch fordern, daß ihre Zöglinge das, was sie
lernen so weit selbstthätig verarbeiten, um es beim Austritt aus dem
Institute praktisch anwenden zu können. Es ist sicher nicht zu viel
verlangt, daß die jungen Leute, welche in das Präparandeninstitut
eintreten, einen Bildungsstand erreicht haben, welcher dem eines für
die Versetzung nach Secunda reifen Tertianers gleich kommt. Es ist
das immer noch weniger, als in manchen Staaten von den jungen Leuten
gefordert wird, die sich dem Post-, Bau-, Forstfach oder irgend
einem andern praktischen Berufe widmen, wozu die Reife für Prima
oder gar das Maturitätsexamen zur Universität verlangt wird. Ist
denn nun die Kinderzucht so viel schlechter als die Baumzucht? Nein
gewiß nicht. Mußten wir daher oben darauf dringen, daß der
Lehrerstand materiell besser gestellt werde, so müssen wir hier eine
größere Durchbildung desselben fordern, als bei jetzigen
Verhältnissen demselben gegeben wird und werden kann. Die Reife für
Secunda kann ein fleißiger und einiger Maaßen gut begabter Knabe mit
14 bis 15 Jahren erreichen. So alt sind die Präparanden nicht nur
jetzt auch, sondern bedeutend älter. Dann aber meine ich, solle der
junge Mensch nicht unmittelbar in die Berufsschule eintreten,
sondern
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ähnlich den Forsteleven u. a. für einen
praktischen Beruf sich Vorbereitenden eine Lehrzeit durchmachen. Er
möge bei einem tüchtigen Elementarlehrer untergebracht werden.
Diesen unterstütze er namentlich in allen Dingen, die zur Handhabung
der äußern Ordnung in der Schule erforderlich sind, wohne dessen
Stunden bei, helfe schwächeren Kindern nach, liniire die Schulbücher
u. s. w. Dafür werde er angehalten, sich selbst fortzubilden in der
Kenntniß der heiligen Schrift und des Katechismus, im Rechnen,
Schreiben, Lesen; er übe sich in der Musik, Gesang, Orgelspiel und
auf einem zur Gesangbegleitung in der Schule zweckmäßigen
Instrumente, wie der Violine, kurz in den Kenntnissen und
Fertigkeiten, die für seinen Beruf als Lehrer unmittelbar
erforderlich sind. Selbstredend ist außer dem Lehrer auch der
Lokal-Schulinspektor Vorgesetzter dieser Lehrlinge, Die Lehrzeit
nimmt etwa 1 bis 2 Jahre in Anspruch. In dieser Zeit dürfte sich
auch herausstellen, ob der Lehrling überhaupt für das Lehrfach paßt,
oder nicht. Im letzteren Falle ist es noch immer nicht zu spät für
ihn, einen andern Lebensweg einzuschlagen. Auf der
Vorbildungsanstalt für Lehrer bringt er abermals zwei Jahre hin, und
ist er dann mit 18 bis 19 Jahren so weit, daß er als Gehilfe
eintreten kann. Jünger kommen auch jetzt wohl kaum die Präparanden
so weit. Auf dem Institute, das der angehende Lehrer zuletzt
besucht, muß derselbe angehalten werden, in allen in seinen
künftigen Beruf einschlagenden Dingen es nicht allein zu einer
gewissen Meisterschaft zu bringen, sondern er muß auch sich klar
bewußt werden, was sein künftiger Beruf bedeute, was jede einzelne
Forderung derselben an seine Person auf sich habe, er muß die
Freuden und Leiden des Berufes - empirisch, das geht ja nicht -
kennen lernen, damit er mit Bewußtsein und eben so dankbar als
muthig Alles hinnehme, was ihm sein späteres Amtsleben bringt. Nur
wenn die jungen Leute das Ihrige können, d. h. wenn ihnen die
Fähigkeit sowohl rücksichtlich
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des Charakters als der Kenntnisse zur Ausübung
ihrer Berufspflichten einwohnt, ist zu erwarten, daß sie auch bei
der Jugend auf ein tüchtiges Können hinarbeiten und in der
Elementarschule eine Saat der Gesinnungstüchtigkeit ausstreuen
werden, welche dem ganzen Volke Segen bringen wird. Diese Hoffnung
geht aber nur dann in Erfüllung, wenn der Schullehrer wirklich ein
Schulmeister ist, und ihn weder Umstände zwingen, daneben einen
andern Brodterwerb zu führen, noch - und das ist fast noch
gefährlicher - eine aus verkehrtem Streben nach Vielseitigkeit
hervorgehende Halbbildung ihm einen unausstehlichen Dünkel der
Gelehrsamkeit einflößt, der mit jedem Tage wächst, mit welchem die
Meisterschaft des Schulmeisters abnimmt. Allein die zwei Jahre auf
der Schullehrervorbildungsanstalt werden noch nicht ausreichen,
diese Tüchtigkeit zu wecken, wenn nicht schon frühe der Anfang
gemacht ist, und deshalb ist oben eine dem Eintritte in die
Lehrlingszeit voraufgehende Vorbildung für Secunda gefordert worden.
Dieß führt uns auf die Gelehrtenschule in Ratzeburg. Nach dem für
dieselbe am 28. Februar 1846 gegebenen Regulativ (§ 1) „geht der
Zweck derselben vorzugsweise dahin, die ihr anvertrauten Zöglinge
durch einen gründlichen und angemessenen Unterricht in allen zu
einem wissenschaftlichen Berufe erforderlichen Gegenständen
vollständig auf das academische Studium vorzubereiten und dieselben
überhaupt in der Weise auszubilden, daß sie durch Aneignung der
nöthigen Vorkenntnisse und den in ihnen erweckten wissenschaftlichen
Sinn an der Bildung der Gegenwart Theil zu nehmen vermögen." Dieser
Zweck wird in der Instruction für die Lehrer der in Rede stehenden
Anstalt dahin interpretirt (§ 2 Schluß): „Sie", die Lehrer nämlich,
„müssen daher als die höchste Aufgabe der Schule betrachten, die
ihnen anvertraute Jugend zu wissenschaftlicher Gediegenheit, zu
reger Empfänglichkeit für das Wahre, Schöne
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und Gute, vorzüglich aber zu christlichem Sinne
und Leben zu erziehen."
Die Erreichung dieses Zieles hängt von gar vielen Faktoren ab. Ein
Mal von der ganzen Einrichtung der Schule, dann von den Lehrmitteln,
von der Persönlichkeit des Lehrenden und dem ganzen Geiste, welcher
die Zeit und das Volk beherrscht, anderer unwesentlicherer nicht zu
gedenken.
Letzterer ist im Ganzen während des Bestehens der Lauenburgischen
Schule - seit Michaelis 1845 - der Entwickelung einer jungen Anstalt
nicht günstig gewesen. Zwar sind wir im Ganzen, Gottlob, wenig von
der Zerfahrenheit der Zeit berührt worden, wenn es auch immerhin
nicht an Beispielen gefehlt hat, daß Rechte - wie das der
Zurechtweisung und Bestrafung der Schüler, - die dem Lehrer zu Folge
seines erziehlichen Berufs nothwendig zustehen, als Uebergriffe in
die persönlichen der Knaben angesehen wurden. Mehr hat uns die
Richtung auf das Materielle, so wie die übergroße Hast in allen
Dingen geschadet. Nicht bloß, daß man durch Nachhilfe- und
Arbeitsstunden für die Schularbeiten den Knaben einen Theil der
Arbeit, die sie selbst ganz machen sollen, abnimmt, läßt man die
Kinder noch obenein in allerlei Nebendingen unterrichten, die
immerhin an sich wohl nützlich sind, und zwingt sie so, fortdauernd
nur halbe Arbeit zu liefern, indem entweder voller Kraftaufwand
nicht nöthig ist, oder die große Masse der Arbeit weder der
schwachen Kraft noch der sparsamen Zeit entspricht. Folge davon ist
nicht schnelleres, sondern langsames Fortschreiten der Zöglinge. Ich
bin fest davon überzeugt, daß Mancher, der als mäßiger Quartaner die
Schule verläßt, ein rechtschaffener Tertianer bei seinem Abgange
wäre, wenn er weder Arbeits- noch französische und englische
Privat-Stunden gehabt hätte. Diese Eile treibt auch die Meisten,
welche von der Schule in eine praktische Laufbahn übergehen wollen,
die Schulbildung schon mit ihrem 14ten Jahre,
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d. i. mit dem hier in Lauenburg gesetzlichen
Confirmationsalter abzuschließen. Dieß und die oft so geringe
Vorbereitung der aufzunehmenden Schüler machen es, daß Viele in das
Leben mit einer kaum nothdürftigen Schulbildung übergehen.
Namentlich ist es der Schule bei der kurzen Zeit der Einwirkung auf
den Schüler nicht möglich, in demselben ein tüchtiges Können zu
wecken, wenn sie ihm auch mancherlei Kenntnisse mittheilt. Von
Anfang an aber ist in unserer Schule vor allen Dingen darnach von
den Lehrern gestrebt worden, daß die Schüler das verarbeiten, was
sie lernen, und dieß ist, wenn der Weg auch Manchen anscheinend
später zum Ziele führt, als er wünscht, nach meinem Ermessen eine
wesentliche gute Eigenschaft der Schule. Zwar fehlt es nicht an
Leuten, welche uns zu große Strenge in den Forderungen vorwerfen;
aber sie haben Unrecht. Was fordert denn nach dem oben angeführten
Paragraphen unsere Instruction von uns ? „Wissenschaftliche
Gediegenheit" in den Schülern zu wecken. Diese besteht aber nicht in
oberflächlichem Geschwätz über Allerlei, sondern in gründlichen
Leistungen, und sei es auch nur in einem Gegenstande.
Also Leistungen, ein Können, und zum Können gehört das Wollen; im
Wollen dessen, was wahr, gut und schön ist - um die Worte der
Instruction zu gebrauchen - besteht aber die Tüchtigkeit des
Charakters. Auf sie einzuwirken, ist ebenfalls Aufgabe der Schule,
und diese Seite unserer Thätigkeit ist gerade die wichtigste,
zugleich aber noch die, wo die Schule am häufigsten in Collision mit
dem Hause kommt. Es kommen nämlich vorzugsweise zwei Verirrungen in
dieser Hinsicht vor, die beide ihren Grund in einer entschiedenen
Richtung auf das Aeußerliche haben. Sie mögen allgemeiner Art sein,
und daher anscheinend nicht in diesen speciellen Theil zu gehören
scheinen. Allein, da unsere Schule mit ihnen vielfach zu kämpfen
gehabt hat und, wenn auch weniger als sonst, bis in die neueste Zeit
noch hat,
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so finden sie einen Platz hier. Die Einen sagen:
wenn mein Kind nur recht viel lernt, so bin ich zufrieden, denn
alsdann kann es sich damit einst gut forthelfen; die Andern dagegen
wünschen nur, daß der Geist der Kinder angeregt werde, denn ist das
in der Jugend geschehen, so kömmt es nachher gar nicht darauf an,
wie viel und was gelernt sei, der Geistreiche bricht sich doch seine
Bahn und wirft die Schulweisheit über Bord. Jede dieser Ansichten
einseitig durchgeführt verdirbt den Charakter. Das Viellernen ist
dem Vielessen, das bloße Anregen des Geistes dem Naschen zu
vergleichen; wie Vielessen und Naschen den Körper ruiniren, so
schwächen Viellernen und Haschen nach Geist beim Unterrichte den
Geist. Beim Schulunterrichte kommt es zunächst auf Stärkung aller
edlen geistigen Kräfte an. In jeder Unterrichtsstunde wird zunächst
gelernt, und indem das, was gelernt wird, zugleich verarbeitet wird,
wird auch der Geist angeregt. So wird die Schule beiden gerecht,
ergibt aber noch ein Drittes, nämlich die Arbeit, die Richtung des
Willens auf Beschäftigung mit dem Wahren, Guten und Schönen. Arbeit
aber ist nicht eine planlose Geschäftigkeit, die jeden Moment von
einem Gegenstande auf den andern überspringt, oder ein gedankenloses
Abquälen mit einem unverstandenen Gegenstande, sondern
gedankenvolles, andauerndes Vertiefen in einen Gegenstand. Ein
Beispiel möge es klar machen. Ein Schüler, der einen mathematischen
Lehrsatz wegen Unaufmerksamkeit in der Stunde nicht begreift, sich
aber stundenlang zu Hause damit abquält, den Satz zu memoriren, hat
nicht gearbeitet, wohingegen derjenige arbeitet, der sofort in der
Stunde den Satz begreift, ihn auch dann nicht wieder ansieht. Oder,
ein Schüler, der sich Stunden lang abmüht, einen Abschnitt aus einem
Schriftsteller zu lernen, ihn auch aufsagen kann, aber nicht weiß,
was er gelernt hat, ist faul gewesen, während ein anderer, der nach
guter Präparation und Repetition ohne vieles Lernen doch seinen
Abschnitt weiß
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und versteht, fleißig gewesen ist. Diese Art
intensiver Arbeit zu erzielen, hält sehr schwer und erfordert sehr
häufig, daß der Lehrer mit aller ihm zu Gebote stehenden Energie den
Schüler angreift, wobei, da die Aufgabe eine sittliche ist, es oft
nicht fehlen kann, daß der Charakter des Schülers getadelt werden
muß. Da ist aber der Punkt, den empfindsame Eltern so leicht übel
vermerken, und an Statt dem Lehrer dafür zu danken, daß er sich
dieser, sicher nicht angenehmen Arbeit unterzieht, ihn auf alle Art
angreifen; denn, „so etwas," heißt es, „darf der Lehrer sich nicht
herausnehmen, er soll unterrichten." Nein, im Gegentheil, er muß
sich so etwas leider herausnehmen, und ist er ein bloßer Docent, so
verkennt er seine Stellung, welche ihm nicht auflegt, Vorträge zu
halten, sondern „die Zöglinge zu christlichem Sinne und Leben zu
erziehen." Diese wichtige Aufgabe muß der Gelehrtenschule vor allen
Dingen gewahrt werden, und die Lehrer müssen sie als ein Heiligthum
gegen jeden vertheidigen, der sie angreifen will, und, so bald ihre
Kräfte nicht ausreichen, von ihren Vorgesetzten die nöthige
Unterstützung fordern, soll anders die Anstalt dem Lande wahren
Segen bringen. So viel über die Tendenz der Gelehrtenschule.
Zum Schlusse noch ein Wort über die Organisation und die Lehrmittel
der Schule. Aus den alljährlich ausgegebenen Programmen dürfte
Beides zwar allgemein bekannt sein, doch ist in der That darüber
noch viel Irthümliches im Gange, und aus diesen Irthümern zieht man
gern den Schluß, als sei die Schule weder für künftige Praktiker
recht brauchbar, noch auch für die Ausbildung der künftighin
Studirenden in den Realwissenschaften gesorgt. Beide gegen mich
ausgesprochene Ansichten bedürften kaum einer Erwähnung, wenn sie
nicht bis zu einem gewissen Grade Wurzeln gefaßt hätten, und beide
haben ihren Grund in einer Ueberschätzung der andern und
Unterschätzung der klassischen Bildungsmittel. Das Irthümliche darin
nachzuweisen, schließe
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ich mich an den nachstehenden Lehrplan der
Lauenburgischen Gelehrtenschule für das Jahr 1856/7.

Von diesen 164 Lehrstunden nehmen nun zwar die beiden alten Sprachen
63 Stunden also mehr als 1/3 fort, während das Französische nur mit
8 Stunden, eine andere neuere Sprache, etwa Englisch gar nicht
bedacht ist. Dagegen nehmen die Realien, Geschichte - und zwar nicht
bloß alte, sondern die ganze Weltgeschichte - Geographie,
Naturwissenschaften und Mathematik 46 Stunden, und rechnet man den Religionsunterricht mit hierher, 62 Stunden fort. Dieß gibt den
realistischen Unterrichtsgegenständen nahezu gleiche Berechtigung
mit den alten Sprachen, und, rechnet man das Französische, wie
Manche thun, der realen Seite zu, sogar eine Bevorzugung. Diese
einfache Zahlendarlegung mag nur zeigen, wie die nicht Recht haben,
welche geradezu behaupten, auf der Lauenburgischen Gelehrtenschule
fehle es an Unterricht in den Realien. Zwar will ich nicht in Abrede
stellen, daß für Viele ein Paar, wenn auch nicht obligate, sondern
fakultative Stunden im Englischen höchst wünschenswerth wären, auch
ist von Seiten der Schule diesem Wunsche entsprochen worden; aber
die Erfahrung ergab zweierlei. Eine Zeit lang
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war das Andrängen zu den englischen Stunden so
stark, daß während eines Semesters in Tertia der griechische
Unterricht wegen Mangels an Schülern aufhören mußte. Aber dieß als
einen Beweis dafür ansehen zu wollen, daß das Griechische unnütz,
oder überflüssig sei, möchte mindestens voreilig sein, da Mehrere
von denen, die das Griechische aufgaben, es dann wieder aufnehmen
mußten. Deshalb wird im eignen Interesse der Schüler jetzt die
Dispensation vom griechischen Unterricht sehr schwer ertheilt. Es
ist auch gar nicht abzusehen, was die Erlernung des Griechischen
schaden sollte. Im Gegentheil die Dispensation schadet und wenn auch
nur dadurch, daß die Dispensirten die Schulpflichten nur halb
erfüllen; denn außer der Befreiung von den griechischen Arbeiten,
dispensiren sie sich selbst auch von anderen. Falls sie aber der
Forderung nachkommen, die für sie frei werdende Zeit durch anderen
Unterricht zu ersetzen, so wird ihre ganze Tätigkeit so
zersplittert, daß an eine solide, gediegene Arbeit kaum noch zu
denken ist. Was man also auf der einen Seite zu gewinnen hofft,
nämlich eine schnellere Vorbereitung für das Geschäftsleben,
verliert man an der Gewöhnung zur Stetigkeit und Einheit der Arbeit
und somit des Charakters. Bei der Richtung der Jetztzeit auf
Unstetigkeit und Flüchtigkeit muß es daher als dringendes Bedürfniß
einer Vorbereitungsschule für alle gebildeten Stände angesehen, und
einer Schule ja kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie die
Thätigkeit ihrer Zöglinge möglichst auf einen Gegenstand
concentrirt, zumal wenn sie in anderen Wissensgegenständen ihre
Schüler nicht vernachlässigt.
Diesen Vorwurf dürfte der Ratzeburger Gelehrtenschule kaum jemand
machen, der sich die Mühe nehmen will, die alljährlich in den
Osterprogrammen veröffentlichten Pensa genauer anzusehen, und sie
mit denen von Realschulen, die doch wohl das Reale hervorheben, zu
vergleichen. Es ergibt sich daraus deutlich, wie auf
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diese Realschulen in den Real-Disciplinen, welche
wie Mathematik ernstes Eingehen in den Gegenstand, und nicht
mechanisches Auffassen vorzugsweise verlangen, nichts weiter sind
als die Gymnasien. Zu dem Ende stehe hier nur beispielsweise das
mathematische Pensum der Realsecunda und Tertia der Schulen zu
Hildesheim und Rendsburg von 1856 neben dem von Secunda und Tertia
in Ratzeburg vom Jahre 1857.
| Hildesheim |
Rendsburg |
Ratzeburg (1857) |
| I. Realklasse |
Realsecunda. |
Secunda. |
| |
|
|
| Arithmetik,
Potenzen, Logarithmen, Gleichungen des ersten und
zweiten Grades mit einer u. mehreren Unbekannten.
Planimetrie: Repetition der gesammten Planimetrie,
Trigonometrie, praktische Geometrie nebst
trigonometrische Berechnung der Messungen. |
Im Sommer
die
Lehre von den po-
sitiven u. negativen
Zahlen, Rechnen
mit algebraischen
Summen, Lehre
von der Ähnlichkeit
und vom Kreise;
im Winter: Poten-
zen, Wurzel, Lo-
garithmen, Trigo-
nometrie. |
Wiederholung
des geom. Cursus von Tertia; Planimetrie ; das
Wichtigste aus der Goniometrie (Trigonometrie). -
Wiederholung des arithmetischen Cursus von Tertia.
Potenzenrechnung, Logarithmen, Anfang der quadratischen
Gleichungen. |
| |
|
|
|
II. Realklasse |
Realtertia. |
Tertia. |
| |
|
|
| Arithmetik bis zu den Gleichungen
ersten Grades. Planimetrie bis zur |
Planimetrie 2 St. Arithmetik nach
Heis. Die vier ersten Grundoperatio- |
Planimetrie so weit sie ohne
Proportionen zu erledigen ist. Arithmetik: |
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| Hildesheim |
Rendsburg |
Ratzeburg (1857) |
| II. Realklasse |
Realtertia. |
Tertia. |
| |
|
|
Aehnlichkeit
geradlinigter Figuren.
|
nen, Null
und negative Zahlen
Gleichungen vom 1sten Grade mit einer Unbekannten.
|
Grundoperationen und Gleichungen 1sten Grades mit einer
Unbekannten. * |
Wer kann wohl eine größere Uebereinstimmung
verlangen, als hier bei drei von einander ganz unabhängige Anstalten
nachgewiesen ist? Diese Uebereinstimmung zieht hindurch durch alle
Realgegenstände an den gedachten Anstalten. In den Sprachen mag
größere Abweichung sein. Es ist mir nicht möglich, dieses zu
untersuchen, da die in Hildesheim und Rendsburg citirten Lehrbücher
mir nicht zu Gebote stehen. Aus dem aber, was ich prüfen kann, geht
hervor, daß die Realschulen eben so als die Gymnasien ein für jedes
Alter bestimmtes Maaß geistiger Kraft entwickeln, und daher in ihrer
Einwirkung auf den Lernenden nichts anders erreichen, als die
Gelehrtenschulen; denn auch andere Gymnasien stimmen in ihren
Lehrplänen im Wesentlichen mit dem Ratzeburger überein. Es liegt
demnach nicht an der Organisation einer Gelehrtenschule an sich,
wenn sie von künftigen Praktikern nicht hinreichend benutzt wird,
sondern in Vorurtheilen einerseits, oder äußeren Nebenumständen
andererseits. Zu den für die Ratzeburger Schule besonders
eigenthümlichen Vorurtheilen gehört das gegen das Lateinlernen, das
so weit geht, daß Eltern ihren Kindern sogar abrathen, sich zu viel
damit zu beschäftigen, lieber tüchtig zu rechnen und zu schreiben.
Die Folge davon ist einfach. Da kein Schüler ohne die nöthige Reife
im Latein befördert wird, so müssen diese Antilateiner in Quinta
sitzen und
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* Im Programm von 57 finden sich die §§ aus Heis Uebungsbuche
citirt, dieß stimmt aber mit der obigen Angabe.
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auch im Rechnen zurückbleiben, bis sie nach Quarta
kommen. Zu den äußeren Umständen zählen wir hier den verspäteten und
unreifen Eintritt in Quinta, so wie den Abgang von der Schule mit
dem Confirmationsalter von 14 Jahren. Was kann wohl ein Schüler an
Schulbildung in das Leben mitnehmen, der mit 12 Jahren nothreif in
Quinta eintritt, und mit 14 Jahren aus dieser Klasse confirmirt in
das praktische Leben übertritt? Solche Fälle, die zwar jetzt
seltener werden, sind oft vorgekommen. Der Abgang aus Quarta ist
Regel, aus Tertia selten, aus Secunda etwas Besonderes. In Ländern,
wo die Confirmation mit 16 Jahren eintritt, oder an das Zeugniß der
Reife für Secunda gewisse Vortheile geknüpft sind, finden diese
Abgänge alle eine Klasse höher Statt. Sollte es gelingen, dieses
hier auch ohne die eben gedachten äußeren Mittel zu erreichen, so
dürfte auch unsere Schule einer größeren Anzahl von Zöglingen, als
jetzt, wahrhaft fruchtbar werden. So lange das aber nicht ist, wird
es bleiben, wie bisher, daß Quinta die halbe Schülerzahl, Quarta
1/4, Tertia 1/8 und die beiden oberen Klassen zusammen kaum 1/8
derselben enthalten. Die Erfüllung dieser Erwartung ist aber so
lange noch in weite Ferne geschoben, als die ganze Eile unserer Zeit
auch den Knaben und Jünglingen nicht die Zeit zu eingehenderer und
gründlicher Kraftentwickelung lassen will.
Sollten vorstehende Bemerkungen dazu dienen, Vorurtheile über das
Lauenburgische Schulwesen zu widerlegen, auf Uebelstände in
demselben aufmerksam zu machen und auf deren Hebung, wenn auch
indirect hinzuwirken, und so dem Schulwesen einen kleinen Nutzen
geschafft haben, so ist ihr Zweck erfüllt.
Gott gebe allen unsern Schulen einen gedeihlichen und segensreichen
Fortgang!
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