Es giebt vielleicht nicht viele Länder, deren
Geschichte einen so wenig erfreulichen Anblick darbietet, als
diejenige von Sachsen-Lauenburg. Die Herzoge, einem großen
erlauchten Hause entsprossen, wollten bei geringem Umfange ihrer
Staaten und wenigen Einkünften, die Ansprüche der Vorfahren geltend
machen, vertieften sich in Schulden und verwirrten sich in
fruchtlose Unternehmungen. Bedeutende Städte besaß das Land nicht.
Der Adel, die Enkel der alten Dienstgenossenschaft Heinrich des
Löwen, welche unter seinem Banner die Wenden besiegt und sich in
wenig ergiebigen Landstrecken niedergelassen, die von Colonisten und
Sclaven bebaut wurden, war nach dem Aufhören der Kreuzzüge und
vorzüglich nach dem Bekehrungskriege in Liefland unthätig und
verdehnte die Tage in träger Ruhe. Als nach dem Tode Albrechts des
Ersten (1261) seine Söhne, Johann I. und Albrecht
II. sich in die
Lande Sachsen-Lauenburg und Sachsen-Wittenberg theilten, ward der
Schauplatz der Thätigkeit des Landadels immer mehr beengt und
weniger anziehend. Nach dem Ableben Johanns I, dem Sachsen-Lauenburg
zugefallen war, zersplitterten
____________________
*) Ausgearbeitet in den Jahren 1827 u. 1828. Bei der jetzigen
Veröffentlichung sind jedoch auch die seitdem erschienenen neueren
Urkundenbücher citirt.
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sich die Landestheile noch mehr unter den
verschiedenen Söhnen und deren Descendenten, bis im Jahre
1436, nach
dem Tode seines Bruders Erich V, Herzog Bernhard zuerst wieder
alleiniger Herr des Landes ward, mit welchem Zeitpuncte eine
glücklichere Periode für dasselbe beginnt, nachdem jedoch manche
Gelegenheit zur Erweiterung und selbst mancher Theil der alten
Besitzungen unwiederbringlich verloren war. Die Schwäche der
Regierung in der traurigen Zwischenzeit hatte unterdessen das
Aufkommen eines Raubwesens gestattet, wie in unsern Gegenden nie ein
ähnliches zu andern Zeiten vorhanden war, und welches um seiner
Singularität nicht minder, als der Folgen willen, Aufmerksamkeit
verdient. Es waren besonders die Schätze Hamburgs und Lübecks und
der zwischen beiden Städten stets wandernde Waarenzug, welche die
Lüsternheit und Habsucht der müssigen Ritter auf sich zogen, und
welche ihnen einen leichterworbenen Gewinn darzubieten schienen.
Diese Städte hingegen waren schon früh wachsam und bemüht, mit
starkem Arme der Willkühr und dem Frevel der Raubritter sich zu
widersetzen, zu diesem Zwecke Verbindungen mit benachbarten Fürsten
zu schließen und tapfere Ritter in ihren Sold zu nehmen, bis zuletzt
dem, durch geringere Mittel unheilbaren Unfuge, durch die Eroberung
einiger fester Plätze, welche den Räubern vorzüglich zu
Zufluchtsorten gedient hatten, ein Ende gemacht ward. Es müssen
hier, um ein vollständiges Bild jenes unruhigen Zustandes zu geben,
sowohl die Verbindungen, welche die gedachten Städte zur Erhaltung
des Landfriedens eingingen, als auch die uns noch bekannten Fehden
derselben, welche sich auf Sachsen-Lauenburg und die zunächst
angrenzenden Landstrecken beziehen, erwähnt werden.
Nachdem Hamburg und Lübeck schon lange unter einander vereint waren,
1) bei Bornhöved zusammen ihre und des nördlichen
____________________
1) S. Vertrag (v. J. 1210) bei DREYER de jure naufragii.
Hamburg, Urkundenbuch Thl. I. Nro. 381.
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Deutschlands Unabhängigkeit verfochten, auch
schon gemeinschaftliche Handelsprivilegien erhalten hatten, 2)
schlossen sie im Jahre 1241 das bekannte Bündniß, 3) welches neuere
Geschichtsschreiber den Anfang der Hanse genannt haben, in welchem
diese Städte sich unter andern dazu verpflichteten, auf
gemeinschaftliche Kosten die Räuber vom Ausflusse der Trave bis
Hamburg und auf der ganzen Elbe bis zur Mündung zu vertilgen. Ein
sich nicht ausdrücklich auf gewisse Gegenden beziehendes gemeinsames
Schutzbündniß ward 1255 zwischen beiden Städten auf drei Jahre
geschlossen, 4) wovon uns die nähere Veranlassung nicht bekannt ist.
Auch über die Erfolge dieser und mancher folgender Bündnisse wissen
wir nichts, so wie auch bei den wirklich geschehenen Thaten, die
Theilnahme einer oder der andern Stadt, oder gar das nähere
Verhältniß derselben verborgen ist. Nach demjenigen, was uns
aufbehalten ist und nach der Gemeinschaft der Interessen, welche
hier zwischen beiden Städten stattfand, sind wir hier jedoch
berechtigt, die Wirksamkeit der alten Bündnisse in der Regel als
gültig anzunehmen. Zu den Ausnahmen werden aber Fehden in der
unmittelbaren Nähe der Stadt und nicht zunächst die Sicherheit der
Handelsstraßen betreffend, gehört haben, wie z. B. die der Hamburger
gegen die Herren von Heymichhude, 5) vielleicht auch die der
Lübecker gegen den Grafen Johann von Holstein, in welcher sie im
Jahre 1262 mit Beistand der Fürsten von Meklenburg, diesem DARSOWE
(Dassau) abgenommen. 6) Eine unmittelbare Theilnahme an diesem
Kriegszuge war vielleicht
____________________
2) Erweislich in Dänemark 1225.
3) Samml. Hamb. Verf. IV. 253. Hamb. Urkundenbuch Nro.
525.
4) Hamburg. Urkundenbuch Nro. 594.
5) Ebendaselbst Nro. 818.
6) Detmar Lübecker Chronik z. J. 1262. Nach Reimar Kock hat im J.
1260 derselbe Graf Johann einen Edelmann, welcher von jenem Schlosse
aus Straßenraub übte, enthaupten lassen.
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damals dem noch engeren Verhältnisse Hamburgs zu den
Grafen von Holstein entgegen.
Das Bedürfniß der Landfrieden hatte sich auch schon den Fürsten und
andern als den genannten Städten aufgedrängt und schon vom Jahre
1283 Juni 13 kennen wir eine zu Rostock abgeschlossene Vereinigung
zur Erhaltung desselben, welche Johann, Herzog von Sachsen
(Lauenburg), BUGISLAUS, Herzog der Slaven, WITZLAUS, Fürst zu
Rügen, die HERREN VON MEKLENBURG UND VON ROSTOCK, der HERR VON
WERLE, DIE GRAFEN VON SCHWERIN und VON DANNENBERG mit Lübeck,
Rostock und mehreren, im heutigen Mecklenburg und Pommern belegenen
Städten abgeschlossen. 7) Der Landfriede enthielt im Wesentlichen
folgende Bestimmungen:
„Wenn den Fürsten und Herren, oder ihren Unterthanen „eine
Verletzung vom Feinde zugefügt werden sollte und sämmtliche
Mitglieder des Bundes innerhalb eines Monates sie nicht gütlich zu
vermitteln vermögten, so verpflichten sich die Städte vereint mit
200 Reutern (dextrariis) auf eigne Kosten dem Fürsten in dieser
Fehde zu dienen. Von diesen 200 Rossen sollten nur 150 wirklich
gestellt werden; statt der übrigen 50 waren dem Herzoge (JOHANN) von
Sachsen 1000
Lüb. bezahlt. Lübeck hatte hiezu und um sich von seinem Antheile an
der Stellung der 200 Reuter GÄNZLICH zu befreien
375 m
feinen Silbers bezahlt. 8) Zur ähnlichen Unterstützung der Städte,
mit 400 Reutern, verpflichteten sich die gedachten Fürsten und
Herren, mit Ausnahme des Herzogs von Sachsen und einiger anderer,
welche sich zu keinem BESTIMMTEN, sondern einem allge-
____________________
7) Urk. gedr. im Hans. Urkundenbuche S. 127; erwähnt von Detmar b.
J. 1288. Lübecker Urkundenbuch Thl. I. Nro.
446, vergl. mit dem
Entwurfe des Bündnisses in Nro. 445.
8) S. Hans. Urkundenbuch S. 132. Lübecker Urkundenb. Nro.
447.
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meinen Schutze verpflichteten. Im Falle einer
Fehde auf dem Wasser sollten für 100 Rosse stets 200 bewaffnete Mann
gestellt werden. Die Landleute (rurenses & villani) im
Gebiete der Fürsten, sollten im Kriege für jede 6 Hufen mit einem
Pferde und einem wohl GERÜSTETEN Manne dienen. Brandschatzungen und
Lösegelder sollten nach Verhältniß der Matrikel unter die
verbündeten Fürsten und Städte vertheilt werden. Gefangene Städter
sollten jedoch gegen gefangene Feinde AUSGETAUSCHT werden. Wird
einer der FÜRSTEN gefangen, so muß er sich selbst einlösen, so wie
er den Verlust einer Feste (municio) selbst zu tragen
hat. Wird aber ein feindlicher Fürst oder Herr gefangen, oder eine
Feste erobert, so werden diese den verbündeten Fürsten zu deren
Verfügung übergeben. JEGLICHER ist verpflichtet, für die Sicherheit
der Landstraßen in soferne beizutragen, daß er auf ein
Gehülfsgeschrei zum Beistande herbei eile. Wird Jemand angeklagt,
solches unterlassen zu haben, so muß er, wenn RITTER oder KNAPPE,
selbst sechster, wenn LANDMANN, selbst zehnter, von der Anklage sich
eidlich reinigen, oder dem Gekränkten Verlust und Verletzung
ersetzen. Keinem Verbrecher soll gestattet werden, sich loszukaufen.
Wer ihn schützen sollte, wird eben so feindlich als jener angesehen;
der entflohene Verbrecher aber ist in allen Staaten der Verbündeten
geächtet. Sollte einer der Fürsten dem Vertrage nicht nachkommen, 9)
so sollen seine eignen Vasallen mit den andern Verbündeten, als
Feinde angegriffen werden und die Kosten der Fehde ersetzen. Wer die
Feinde durch Lebensmittel unterstützte, soll selbst als Feind
betrachtet werden. Alle Städte in dieser Verbindung sollen ihre
alten erweisbaren Freiheiten
____________________
9) Kein Artikel dieses Vertrages zeigt so deutlich, wie dieser, den
traurigen Zustand des Landes.
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von Zöllen und Ungeld genießen; die Befreiungen,
welche die LÜBECKER im Lande der Herzoge der Slaven besaßen, sollen
auf alle verbündeten Städte übertragen werden. Auch sollen die
Fürsten und Herren mit den Markgrafen oder andern Feinden, ohne
Genehmigung der gemeinen Städte, keinen Vergleich eingehen. Weder
die Söhne von Fürsten noch von Vasallen, sollen zur Nachfolge ihres
Vaters gelassen werden, wenn sie nicht alle oben verzeichnete Puncte
annehmen. Für die Anordnung und Verfügung aller jener Bestimmungen,
so wie die Berichtigung der Fehler, sollte ein Bundesgericht aus
Vasallen und städtischen Rathmännern (discretiores, die Wittigsten)
zusammengesetzt und beeidigt werden, welche vier Male im Jahre zu
den angegebenen Zwecken zusammenkommen. Die zu schwierigen Fälle
sollten diese jedoch an den Herzog JOHANN von Sachsen, zur Evocirung
und Entscheidung bringen, welcher von allen Herren, Vasallen und
Städten zum Richter und Hauptmann in allen diesen Angelegenheiten
erwählt war. Wenn er aber außerhalb Landes zu seyn gezwungen würde,
so sollte, mit Rath und Genehmigung gedachter Herren, Vasallen und
Städte, ein Stellvertreter für ihn ernannt werden."
Dieser Vertrag ist durch sein Alter, wie durch die Anzahl der hier
vereinigten sächsischen und slavischen fürstlichen und städtischen
Theilnehmer und den Umfang der in demselben verfügten Maaßregeln
gleich merkwürdig. Hätte indessen der Vertrag bei den vielfachen,
unter dessen Teilnehmern stets obwaltenden Streitigkeiten länger
bestehen können, so hätte doch in dem Bundesgerichte, welches zu
leicht in alle Mißbräuche eines geheimen Vehmgerichtes, ausarten
konnte, schon ein Keim zur Auflösung des Bundes gelegen.
Der Vertrag ist hier auch deshalb desto ausführlicher erzählt
worden, da wir leider einen vermutlich ähnlichen nicht haben
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wieder auffinden können, welchen bald darauf im
Jahre 1285, Sonnabend vor dem Sonntage Jubilate, der Erzbischof
Giselbrecht von Bremen, die Grafen und Stände von Holstein und die
Städte Lübeck und Hamburg auf acht Jahre geschlossen haben 10). Die
Abwesenheit der Stadt Bremen, so wie die Theilnahme des dortigen
Erzbischofes an diesem Vertrage lassen vermuthen, daß er sich
besonders auf Holstein, Dithmarschen und die Elbe bezogen haben mag.
11) Am wenigsten möchte ich glauben, daß er sich auf die Fehde des
Erzbischofs Giselbert und des Herzogs Otto von Braunschweig bezog,
weshalb diese im folgenden Jahre ein Bündniß eingingen, dessen
Erwähnung indessen hier mit dazu diene, um anzudeuten, wie sehr
diese Zeit den Namen der des Faustrechts verdiene.
In dem letztgedachten Jahre war Herzog Johann I. von
Sachsen-Lauenburg verstorben. Er hinterließ seine Wittwe IINGEBURG und drei noch unmündige Söhne: JOHANN, ALBRECHT und den, dem
geistlichen Stande bestimmten ERICH. Seinem Bruder Albrecht, Herzog
von Sachsen-Wittenberg, fiel die Vormundschaft zu, doch mußte
dieser, der die meiste Zeit am Hofe seines Schwiegervaters, des
römischen Königs Rudolph, zubrachte, die Leitung der nordelbischen
Angelegenheiten seinem Truchsesse, dem Ritter
____________________
10) Nach handschriftlichen Nachrichten des Syndicus DREYER in Ulrich
Petersens Collect. dipl. Mscrpt. fol. 72 und STRYKII &
WESTPHALEN Cimbra diplomat. a. h. a.
11) Diese Vermutung wird bestätigt durch die im Lübeckischen
Urkundenbuche Bd. I. S. 430 als Nro.
CDLXXlV abgedruckte Urkunde des
Breminschen Erzbischofes GISELBERT, vom 21. April
1285 („in Sabbato
POST dominicam qua cantatur Jubilate"),
wodurch dieser sich "den vereinigten Holsteinischen Rittern und
Knappen, wie auch den Städten Lübeck und Hamburg, zu einem
achtjährigen Friedensbündnisse und zur Beschaffung urkundlicher
Einwilligung seines Capitels verpflichtet."
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Hermann Ribe, 12) von angesehenem Geschlecht
überlassen, welchen der Ruhm eines weisen, frommen und milden Mannes
ziert. 13) Indeß vermochte der RITTER, an der Spitze des
Herzogthums, nicht zu erreichen, was selbst der Autorität und dem
Einflusse des HERZOGS schwer gewesen war, und es entspann sich
zwischen der Stadt Lübeck, (wo man sich im Jahre 1288 gezwungen
gesehen hatte, einen sächsischen Edelmann von mächtigem Geschlecht,
welcher wegen Straßenraubes eingefangen war, mit dem Stricke
hinzurichten), und den erbitterten Sachsen-Lauenburgischen Vasallen
ein heftiges Orlog. Die Herren von Meklenburg 14) und von Werle, so
wie die Grafen von Dannenberg und Heinrich von Schwerin und die
wendischen Städte, in Erinnerung des Bündnisses vom Jahre 1283,
fochten für Lübeck. Sie erbaueten eine feste Burg, die STEINBURG (Kchsp. Nusse), 15) von welcher aus sie das Land brandschatzten. Die
Lübecker rüsteten Prahmen wohlbewaffnet aus und sandten sie vor
Ratzeburg, welches sie mit ihren Bliden stark beschossen, wenn
gleich ohne diese Feste einnehmen zu können. Der Ritter RIBE ward
gefangen und viele sächsische Raubschlösser sind eingenommen. Durch
Vermittelung
____________________
12) Er wird dapifer betitelt in einer vom Herzoge ALBRECHt
1291 Vll.
Kal. Oct.
zu Gunsten Hamburgs ausgestellten Urkunde. Lambecii rer. Hamb. T.
II. b. a. Hamburg. Urkundenbuch Thl. I. Nro. 857.
13) S. Detmar z. J. 1290.
14) Einen Vertrag zwischen denselben und Lübeck v. J. 1291 über die
Führung einer Fehde, zu welcher die Stadt eine Blide mit 20
Gewaffneten und 7 Schützen liefern wollte, führt an: Bangert ad
Helmold, pag. 495. Jetzt gedruckt im Lübecker Urkundenbuch Thl.
I.
Nro. 571.
15) Nicht weit vom Dorfe Panthen, nahe beim Einflusse der Steinau in
die Stecknitz, wo noch jetzt der Steinauer Berg. S. Masch Geschichte
des Bisth. Ratzeburg. S. 294 u. daselbst v. DUVE's Anmerkung.
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der edlen Herren: des Herzogs Otto von
Braunschweig-Lüneburg, der Grafen Adolf und Gerhard von Holstein, so
wie Nicolaus von Schwerin ward der Friede wieder hergestellt. Unter
den Friedensbedingungen ist hier zu erwähnen, daß vollkommener
Ersatz für die geschehenen Räubereien durch die sächsischen Adlichen
verheißen und zugleich festgesetzt ward, daß folgende Festen
(munitiones) von den Eigenthümern zerstört, das Holz zu eignem
Gebrauche verwendet, die Gräben zugeworfen und keine neue Festen an
die Stelle der alten errichtet werden sollten:
1. WENINGHE. Diese Feste, welche HERMANN RIBE erst erbauet hatte,
17) ist vielleicht im Lande Waninke zu suchen. Sie ist später wieder
erbaut und also das jetzige WEHNINGEN im Amte Dömitz.
2. WALROWE ist vermuthlich an dem ehemals sobenannten Flusse, an der
Gränze des Landes Waninke, der für die Röggenitz gehalten wird, zu
suchen. 18)
____________________
16) Detmar a. a. 1289-1291 und den Friedens-Vertrag d. d. 1291:
in die Fabiani et Sebast., in HEINZE Samml. z. Gesch. und
Staatswissenschaft l. 270; jetzt im Lübecker Urkundenbuche Thl. I.
Nro. 572. Bei TRAZIGER Hamb. Chron., welcher diese Begebenheit irrig
zum Jahre 1284 stellt, sind vorzüglich in dem schlechten Abdrucke,
den WESTPHALEN in den Monum. ined. T. II. von derselben gegeben hat,
die Namen der Burgen kaum wieder zu erkennen, wie z. B. Alekstorpe
(statt Clokestorpe), Hummendorpe (statt Nannendorpe).
17) Detmar S. 166.
18) LISCH Jahrbücher des Vereins für Meklenburgische Geschichte Thl.
Xlll. S. 249 flgd. handelt von obigem Landfrieden v. J.
1291. Er
sucht das alte Walrowe im heutigen NEUHAUS, oder auch im weiter
aufwärts gelegenen WARLOW. Im letzteren Falle wird angenommen, daß
Neuhaus an die Stelle der alten Burg in Dertzog erbaut sey.
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3 und 4. CLOKESTORPE mit CARLOW, jetzt der Kirche
letztern Namens eingepfarrt, Sie lagen im Meklenburgischen.
5. SLAVEKESTORPE, jetzt Schlagsdorf, Kirchdorf und
6. DUZOWE, Kchsp, Mustin, unfern der heutigen Lauenburgischen
Gränze.
7. MUSTIN, das ebengenannte Kirchdorf liegt noch jetzt innerhalb
derselben.
Die beiden folgenden lagen nahe der holsteinischen Gränze im Dunkel
des Sachsenwaldes, nämlich
8. BORCHARDESTORPE (Borstorf, Kchsp. Breitenfelde) und
9. LINOWE, Kchsp. Sandesneben, 19) später und vielleicht schon
damals denen von Scharpenberg gehörig. Endlich
10. NANNENDORPE im Holsteinischen, an der Grenze, östlich vom
Hamburgischen Capitelsdorfe Spreng und nördlich von Grünwold. 20)
Wir werden es im Jahre 1344 als Wohnsitz des Ritters Markard Wulf
wiederfinden, welcher von demselben aus Raubzüge unternahm, auf
welchen selbst die Besitzungen des Hamburgischen Domcapitels in
Stormarn nicht verschont wurden. Später kam das Dorf und der Hof in
den Besitz des Hamburgischen Bürgers Diederich Cusvelt, welcher
dieselben im Jahre 1391 mit dem Dorfe Schonenberch (Schönberg) in
der Herrschaft Bergerdorpe, an seinen Oheim, den Lübeckschen Bürger
Berend Pleskow für 540 m
verkaufte. 21) Es läßt sich eine directe Theilnahme Hamburgs an
dieser Fehde nicht nachweisen, doch mag dieselbe bei seinem nahen
Interesse an derselben mittelbar stattgefunden haben.
____________________
19) Die Dörfer 3 bis 9 werden im Zehntcataster des Bischofes von
Ratzeburg v. J. 1240 sämmtlich erwähnt. (WESTPHALEN
T. II.) Arndt
Ratzeburger Zehnten-Register. M
20) Urkunde v. J. 1259 Novbr. 8. Hamb. Urkundenbuch Nro.
646.
21) S. Urkunde in Remonst. Saxon. Lauenb. contra Lübeck in pto.
reluit. Molnensis 1670. App. litt. N.
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Auch an einer andern Seite, der Holsteinischen,
ward Lübeck angefeindet. Die Ritter Otto 22) und Sivert, genannt von
Plön, und andere Straßenräuber belästigten Lübeck so sehr, daß sie
daselbst die erste Veranlassung zu einer besoldeten Garnison und der
Unterhaltung eines Marstalles für geharnischte Rosse (ors,
dextrarii) unter Anführung des gleichfalls besoldeten Iwan von
Crummendyke aus Holstein, gegeben zu haben scheinen. 23) Der
gedachte Sivert flüchtete sich darauf auf die Burg GLESIEN an der
Elde, an der Gränze des Landes Jabel, welche Hermann Ribe der
Aeltere erbauet und der Jüngere dieses Namens nunmehr mit Johann von
SLAVEKESTORPE inne hatten, um von dort aus dem Lande wie den Städten
Schaden zu bringen. Es vereinten sich die Herzoge von
Sachsen-Lauenburg, die Markgrafen von Brandenburg, die Grafen von
Schwerin, die Herren von Meklenburg und von Gadebusch, so wie der
Herr von Putlitz mir der Stadt Lübeck, um die Feste Glesien zu
belagern. Das Schloß widerstand sehr lange, obgleich die Belagerten
mit blinder Verwegenheit verfuhren, als deren Opfer auch Eckard
Ribe, ein Bruder des Hauptmanns Hermann gefangen und in den Thurm zu
Schwerin geführt ward. Durch die absichtlich bei ihnen von den
Belagerern veranlaßte Täuschung, daß Eckard gehangen sey, erbittert,
verfuhren sie schonungslos gegen die Belagerer und gingen über die
Grenzen hinaus, welche ehrlicher Fehde damals gesetzt waren. Nunmehr
geschah, was in späteren Zeiten die erste Maaßregel gegen unruhige
Unterthanen geworden ist und was schlimmere Folgen mit sich führte,
als der kriegerische An-
____________________
22) Von ihm wissen wir, daß er um diese Zeit Besitzungen im
Dithmarschen, welche er von Eike von Ossenhovede erstanden hatte,
dem Erzbischofe Giselbrecht von Bremen verkaufte. S. Urk. in
MOLBECH's Historie von Dithmarsken Kriegen S. 242 und DAHLMANN's
Neocorus I. S. 14.
23) S. Albert von Bardewiek bei DREYEr de jure naufragii pag. 331.
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griff der vereinten Fürsten. Diese kamen nämlich
überein, ein Gericht zu hegen; Herzog Albrecht von Sachsen saß
demselben vor; die Herren oder Vasallen traten als Kläger auf; die
Beklagten wurden vorgeladen und als sie nicht erschienen, durch
rechtsbeständiges Urtheil verfestet; es ward ein Schwerdt gezogen;
man schrie über sie zu dreien Malen: „Dieb, Räuber und
Friedebrecher!" und legte sie friedlos und rechtlos zu Lande und zu
Wasser, an Stegen und Wegen, in Kirchen und in Clusen und in allen
Godeshusen. Hierauf erst vereinten sich die Vasallen mit den
Fürsten, daß wer von den Belagerten gefangen würde, des Todes
sterben solle. Der Hauptmann Hermann Ribe entfloh zur Nachtzeit und
bald darauf, am Tage St. Johannis des Täufers, fiel Glesien in die
Hände der Belagerer. Johann von Slavekestorpe ward von dem edlen
Herrn Gans von Putlitz mit eigner Hand gehangen, der nicht vergessen
konnte, daß dessen Sohn RIBE von Slavekestorpe ihn einst zu
Wittenburg in der Badstube gefangen hatte. Auch dieser Sohn Ribe
ward vor Glesien gehangen, so wie der größte Theil der Mannschaft
oder Räuberhorde, ihre Frevel durch das Schwerdt oder den Strick
büßen mußte. 24) Sivert von Plön scheint sich gerettet zu haben, da
wir einen Ritter dieses Namens im Jahre 1308 in dem, vom Fürsten
Heinrich von Meklenburg zu Rostock gesetzten Gerichte finden.
In HOLSTEIN gewährte der Zustand der öffentlichen Angelegenheiten
keinen heiteren Anblick. Seit dem Tode der Grafen Johann I. (†
1263)
und Gerhard I. (†
1281) war das kleine Land, abgesehen noch von dem
Gebiete geistlicher Herren, der Städte und der Dithmarschen, unter
die fünf Söhne derselben
____________________
24) Nach DETMAR, z. J. 1298 und Albrecht von Bardowiek a. a. O. S.
414-417. Vgl. auch ERNST VON KIRCHBERG's Meklenb. Reim-Chronik bei
DE WESTPHALEN Mon. ined. IV. 777 und 805.
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getheilt. Diese vermochten den Uebermuth ihrer
Vasallen nicht in den Schranken der Ordnung und des Rechtes zu
halten, und glaubten kein Mittel zur Herstellung des Friedens und
der Ruhe übrig zu haben, als unter sich enge verbunden, die
unruhigen Lehnsleute aus dem Lande zu verbannen (1302.) Die uns
bekannten Namen dieser Ritter sind: Nicolaus und Johann von
Crummendyk, Ivan von Reventlow, Siegfried und Tymmo, genannt von
Bocwolde und Marquard von Sandberghe. 25) Diese fanden jedoch bald
Schutz und Beistand bei dem Herzoge Albrecht II. von
Sachsen-Lauenburg, welcher zu Lehsten (Kchsp. Gudow) achthundert
schwer gerüstete Reuter zusammengezogen und mit den vertriebenen
Holsteinern über die Trave ging. Sie lagen wohl fünf Tage auf der
Schooresheide, von welcher aus sie raubten, brannten und
brandschatzten. Die Grafen hatten mittlerweile ihre Mannschaft
zusammengezogen und folgten den sich zurückziehenden Sachsen bis
LOCKFELD 26) (Kchsp. Reinfeld) an der Trave, wo es zu einem harten
Streite kam, in welchem die Holsteiner siegten. Die Lübecker
Rathmänner brachten endlich eine Vereinigung zum großen Vortheile
der Grafen zu Stande. 27) Die Holsteiner waren jedoch sehr erbittert
gegen die Friedensstifter, deren Einmischung ihnen die ferner
gehoffte Beute entzog und viele Lübecker wurden von jenen bei
STUBBENDORF (Kchsp. Reinfeld) überfallen und niedergemacht. 28) Wie
sehr der Handel
____________________
25) Von diesen nennt der Cont. Alberti Stad. die Herren v. Buchwald,
die Detmar nicht anführt; die andern Namen ergeben sich aus einem
Documente.
26) Cont. Alberti Stud. sagt Loewisch.
27) DETMAR z. J. 1303.
28) Diese Nachricht finde ich zuerst bei CRANZ Sax. VIII. Cap. 38,
welcher bei vielen chronologischen und genealogischen Irthümern
dennoch manche jetzt unbekannte Quellen benutzt hat. Corner spricht
von dieser Fehde beim Jahre 1304.
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und Verkehr zwischen Lübeck und Hamburg durch
diese Unruhen litt, erhellt aus einem Vertrage, welchen beide Städte
im folgenden Jahre zur Errichtung einer Reuterschaar zum Schutze der
Waarentransporte im Jahre 1304 eingingen. 29) Da mehr Waaren vom
Norden nach Hamburg gingen, als zu Lande vom Süden nach Lübeck, so
machte letztere Stadt sich anheischig 32 Reuter, Hamburg dagegen
8
Reuter zu stellen, welche die Wagen, jeden gegen Erlegung von einer
Mark Geleitsgeld, doch nicht unter zehn Wagen zugleich, schützen
sollten. Dieser Vertrag ward im Jahre 1306 um Ostern auf
4 Jahre
erneuert. 30)
Die Unruhen, welche die vertriebenen Holsteiner erregt hatten, waren
beschwichtigt, da sich Herzog Albrecht von Sachsen von ihnen
losgesagt hatte, aber nicht beendigt. Die Ritter, Knappen und
Hausleute, Kedingen und die 7 Kirchspiele in Holstein verbanden sich
gegen den Erzbischof von Bremen, Giselbert, für welchen die Herzoge
von Sachsen, die von Lüneburg, die Grafen von Holstein und die
Bremenschen Dienstmannen in das Feld zogen. Der Kampf war blutig;
das Land ward sehr verheert und der bejahrte Erzbischof starb
kummervoll über die Leiden seiner Diöcese in demselben Jahre am 8.
September. Während die erstgedachten Fürsten vermuthlich in dem
Kampfe mit dem, dem Sachsen-Lauenburgischen Lande Hadeln
benachbarten Kedingen beschäftigt waren, zogen die Grafen von
Holstein gegen die nordelbischen Empörer, mit denen der vertriebene
Adel sich vereint hatte. 31) Diese verbanden sich mit den
Dithmarschen und machten
____________________
29) Hans. Urkundenbuch S. 233. Urk. v. 1304. Vig. Andree.
30) Hans. Urkundenb. S. 235.
31) Es ist wohl den, bisher schwankenden Angaben über das Todesjahr
des Erzbischofes Giselbrecht zuzuschreiben, daß der Zusammenhang
dieser Fehde an beiden Elbufern unsern Geschichtsforschern entgangen
ist, da auch die Holsteinischen Geschichtsquellen sämmtlich nur von
der Fehde der Grafen sprechen. Die historia Archiep.
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1857/7 - 145
einen gewissen Pels aus der Marsch, durch die
Volkslaune BISCHOF Pels betitelt, zum Anführer. Die Fehde währte den
ganzen Sommer hindurch; am 8. September endlich besiegten die Grafen
ihre Feinde bei Uetersen. 32) Seltsam erscheint die Nachricht, daß
Pels die Grafen dadurch vorzüglich gereizt habe, daß er sich in die
Geleitung der Kaufleute und ihrer Güter zwischen Hamburg und Lübeck
gemischt und wahrscheinlich zur
____________________
Bremens. Cap. 34, welche hier sehr glaubwürdig ist, setzt den Krieg
in das letzte Jahr Giselbrechts, welches nach den Urkunden im
hanseatischen Urkundenbuche und andern Zeugnissen nur 1306 seyn
kann. Wollte man den Anfang der Fehde auch schon in die letzten
Monate des Jahres 1305 setzen, so würde dadurch weiter nichts
geändert. Die Fehde mit den Dithmarschen mag im Laufe des andern
entstanden seyn und den Grafen allein gegolten haben. Die
Gcdächtnißtafel der Grafen von Holstein in der Hamburger Domkirche
(bei Lambec. Rer. Hamb. lib. II. ad ann. 1266) berichtet freilich:
Graf Woldemar von Holstein, Gerhard's II. Sohn, sey in jenem Streite
bei Uetersen gefallen, (am Tage St. Petri und Pauli, Juni 29.), doch
wenn gleich der Todestag des Grafen Woldemar im Necrologe der
Domkirche (bei Langebek Scr. rer. Dan. T. V) eben so angegeben wird,
so sagt doch der glaubwürdigere (?) Detmar, daß jener Junker
Woldemar erst im Jahre 1308 gestorben sey. Auch in der Angabe des
Todesjahres des Grafen Johann I. berichtet jene nicht vor dem
Anfange des funfzehnten Jahrhunderts verfertigte Tafel falsch,
während keine andere Nachricht das Treffen bei Uetersen auf den
29.
Juni setzt oder dabei des Todes des Junker Woldemar gedenkt,
32) Dieses Datum giebt Detmar S. 188 an (den Tag U. Frauen der
Lateren), sagt jedoch dabei, daß der Erzbischof von Bremen,
(Giselbrecht) zu derselben Zeit gestorben sey. Dessen Todestag wird
aber von dem Necrologio Hamburg, (in LANGEBEK
Scr. rer. Dan. T. V)
auf den XIIII. Kal. Dec. angegeben. Eggehard beim Hermann Corner
(ECCARD Scr. med. aevi T. II) giebt wie Detmar den Todestag des
Erzbischofes Giselbrecht auf den Tag Maria Geburt (Septbr. 8) jedoch
irrig zum Jahre 1305 an.
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Zufriedenheit der Handelsleute. Man begreift kaum,
wie er mit seinen Marschleuten auf jene Landstraße in Stormarn und
Wagrien gerieth; noch weniger aber, wie die Erhaltung des Friedens
auf der Landstraße, den Grafen Anlaß zu einer Beschwerde geben
konnte, wenn man nicht den Grund darin findet, daß den Grafen
dadurch die „LEIDEPENNINGE," die Einnahme, welche sie sonst für das
geleitete Gut (bona conductualia) erhielten, entzogen ward. 33) Den
Städten Hamburg und Lübeck wurden besonders die Burgen Woltorpe und
Arensvelde, so wie der vom Grafen Gerhard von Holstein neu
befestigte Thurm zu Travemünde beschwerlich. Sie vereinten sich also
um Johannis dieses Jahres, auf gemeinschaftliche Kosten, (Lübeck zu
zwei Drittheile und Hamburg zu einem), die Abtragung derselben zu
bewirken. Aus dem Zusatze, welchen eine Ausfertigung dieser Urkunde
enthält, ergiebt sich deutlich, daß dieser Vertrag besonders die
Sicherheit der Straße von Hamburg über Oldesloe nach Lübeck
bezweckte und daß die Städte im Uebrigen ihr altes Privilegium, zwei
Meilen im Umkreise keine Burg zu dulden, (wobei auch noch die Burg
zu Priwalk, unfern Lübeck, ausdrücklich aufgeführt wird),
durchsetzen wollten. So wie auch in Hamburg die Sache der Grafen bei
den Bürgern, (weil jene die Versendung der von denselben erkauften
Lebensmittel nach den Landen Haselau, Crempe, Kedingen und dem alten
Lande nicht zugestehen wollten), nicht die Begünstigste war, so hat
auch Lübeck sich hernach mit den vertriebenen Holsteinern vereint,
für welche sie nunmehr auch die Herzoge Albrecht von Sachsen und
Woldemar von Schleswig gewannen. Am Vorabend St. Nicolai (Dec.
5.),
als gesetztem Vereinigungstermin zogen sie aus Lübeck nach Oldesloe,
welches befestigt ward, um
____________________
33) Daß sie das Geleit zwischen Hamburg und Lübeck zu ihren
EINKÜNFTEN rechneten, ersieht man aus ihrer Erbtheilung v. J. 1316
gedruckt bei Suhm XI. 925.
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von dort aus das Land zu verheeren und zu
brandschatzen. Zu den Grafen von Holstein gesellten sich die Herren
von Meklenburg, Wenden und Andere, welche mit 1400 großen Rossen und
vieler Herren Banner vor Lübeck zogen (1307. Jan.
7.) Sie lagerten
sich an der Schwartau, versenkten alte Schiffe und Steine in die
Trave; ein Thurm ward vom Fürsten von Meklenburg auf dem Priwalk,
dem von Travemünde gegenüber errichtet. 34) Jenen eroberten die
Lübecker jedoch schon um Fasten d. J. Durch Vermittelung des Königs
Erich von Dänemark ward endlich dieser unheilvolle Krieg beendigt,
welchen die Grafen und die vertriebenen Holsteiner zum
Schiedsrichter annahmen. 35) Die Grafen von Holstein und die
Lübecker schlossen einen Vergleich vom 29. Mai d. J. in „Godemanns
Hospitalhause" (bei Travemünde.) 36) Letztere gingen bald darauf mit
dem Könige von Dänemark einen hernach verlängerten Schutzvertrag auf
zehn Jahre ein, in welchem sie sich zur jährlichen Zahlung während
dieser Zeit verpflichteten. 37) Im Jahre 1309 erneuerten Lübeck und
Hamburg das im Jahre 1306 geschlossene Bündniß. 38) Im
vorhergehenden Jahre war Herzog Albrecht II. von Sachsen-Lauenburg
in jugendlicher Kraft gestorben, welcher um den Frieden und das Wohl
der Unterthanen sorgfältig bemüht gewesen war. 39) Die nach der
Fehde vom Jahre 1291 zerstörte Burg Linow ward
____________________
34) Detmar z. J. 1306.
35) Den Vergleich d. d. Glambeck (auf Fehmarn) 1307. Mai
24. s. bei
HUITFELD S. 335; Suhm XI. 539.
36) Lübecker Urkundenbuch Bd. II.
37) HUITFELD S. 312: irrig beim Jahre 1299, richtiger Detmar, Vgl.
auch Hans. Urkundenb. S. 242. Corner setzt den Aufstand des Pelz in
das Jahr 1308, nachdem er vorher beim Jahre 1307 schon vom Frieden
erzählt hatte.
38) Hansisches Urkundenbuch S. 245.
39) Detmar z. J. 1308
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neu erbaut und dem Raubwesen und den Wegelagerern
war kein Ziel zu setzen, Graf Gerhard II. oder der Blinde zog im
Jahre 1312 gegen jene Burg und beschoß sie mit Bliden, doch mußte
er, ohne sie erobert zu haben, sich zurückziehen. 40) Daß die
Sicherheit der Heerstraße zwischen den beiden Städten sehr dadurch
litt, läßt sich aus einem, im Jahre 1324 von denselben mit dem
Grafen Gerhard III. (dem Großen) und Johann IV. (dem Milden) von
Holstein abgeschlossenen Vertrage über die Geleitung der Kaufleute
und deren Waaren auf der gedachten Straße entnehmen. 41) Graf Johann
machte endlich den Versuch, der besser als die früheren geeignet
schien, den Räubereien aus Linow und den benachbarten Burgen Einhalt
zu thun. Er erbaute in Holstein, nahe an der holsteinischen Grenze
das Schloß TRITTOW und legte dort eine Besatzung hin, mit welcher er
im Jahre 1326 in das lauenburgische Gebiet zur Vertilgung der
sächsischen Raubritter einfiel. Es kam am Donnerstage nach
Quasimodogeniti bei Borchardestorpe 42) zu einem harten Streite,
welcher das Leben des Grafen selbst gefährdete, dem jedoch der Sieg,
viele Gefangene und reiche Beute wurde.
Im folgenden Jahre, am Palmtage, vereinten sich die Grafen Gerhard
und Johann mit den beiden Städten wegen Erhaltung des Landfriedens
in ganz Holstein zu Lande und zu Wasser. 43) „Wer des Raubes oder
Diebstahls, im Lande Holstein oder den Marken von Lübeck oder
Hamburg beschuldigt wird, soll sich innerhalb sechs Wochen durch
einen Zwölfmanneneid reinigen; wer einen Schuldigen beschützt, eben
so straffällig als jener betrachtet werden. Mit dem Friedebrecher
und Friedelosen soll man sich nicht sühnen, dem Kläger wäre denn
bereits Genugthuung ge-
____________________
40) Detmar z. J. 1312.
41) Hanseat. Urkundenb. S. 309.
42) S. oben beim Jahre 1291.
43) S. die Urk. in Heinze Samml. Thl. I. S. 273.
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leistet; wo nicht, soll man sie, wenn man sie in
gedachten Landen und Städten findet, sogleich niederhauen oder
ergreifen. Wenn ein RITTER oder KNAPPE einen Friedebrecher, oder von
den Grafen oder den Städten geächteten Mann vorenthält, wollen die
Grafen denselben zur Auslieferung auffordern. Stellt er ihn nicht,
so wollen die Grafen binnen acht Tagen, nach Anzeige der Rathmänner,
strenge über den Friedebrecher oder Friedlosen richten. Von Wachs,
Pelzwerk und andern Waaren soll jeder Wagen zwei Mark für das
Geleite bezahlen, wogegen die Grafen sich verpflichten, jeden,
diesen Wagen zugefügten Schaden binnen sechszehn Wochen nach dem
Raube zu ersetzen, unter Verbindlichkeit des Einlagers selbst mit
sechs ihrer Mannen, bis zum geleisteten Schadensersatze. Für
anderes, als das benannte Gut werden keine Leidepenninge gezahlt.
Die Grafen dagegen verpflichteten sich rücksichtlich derselben nicht
zum Ersatze, sondern nur zur Rechtsverfolgung. Zur Ausführung dieses
Vertrages sollten zwei Rathmänner aus jeder Stadt mit zwei Rittern
zusammentreten."
Doch waren es nicht die Bürger, deren reichbeladene Wagen und
kostbare Habe allein, welche die Raublust der Ritter anzog, welche
nicht länger, wie ihre Ahnen, die Eroberung des heiligen Grabes zu
frommen Heldenthaten begeisterte, nicht wie in den mittleren und
südlichen europäischen Staaten heftige National- und Religionskriege
stärkten und erhoben. Die Landbesitzungen der geistlichen Stifter,
die Ernte, die Heerden, so wie die Ersparnisse des Landmannes zog
die Habsucht der Wegelagerer und Buschklepper, leider aus den
angesehensten Geschlechtern jener Tage, nicht minder an. Das Ansehen
der Geistlichkeit, namentlich des Bremenschen Stiftes, hatte durch
die schwache Regierung des gelehrten, aber characterlosen Johann
Grand, Erzbischofes von Bremen, sehr gelitten, welche auch die
Administration des Herzogs Johann von Braunschweig-Lüneburg nicht
stützen konnte
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Die Ritter Ludolph und Hinrich VON SCHARPENBERG verheerten die Besitzungen des hamburgischen Domcapitels, doch
ließen sie sich bewegen demselben, aus Vermittelung eines
Verwandten, des Hinrich VON HAMME, thesaurarius der hamburgischen
Kirche, derselben den Schaden durch Zahlung von 160 Mark zu
ersetzen.
Das kräftige Auftreten der Grafen von Holstein fruchtete eine Weile,
vornämlich in Holstein. Doch die Räubereien der sächsischen Ritter
währten fort und im Jahre 1332 traten die beiden Städte mit dem
Herzoge, Herrn Erich I. und Junker Albrecht III. von
Sachsen-Lauenburg, so wie den holsteinischen und schauenburgischen
Grafen, Herren Gerhard III. und Johann IV., so wie dem Junker Adolf
X. zu einer neuen Vereinigung über die Erhaltung des Landfriedens
auf ein Jahr zusammen. 44) In diesem Vertrage ist besonders
hervorzuheben,
„daß die Sicherheit ALLER AUSLÄNDISCHEN Kaufleute,
woher sie auch sind, ausdrücklich stipulirt wird; die Burgen, wohin
die Räuber flüchten, sollen dem Boden gleich gemacht, die Räuber
gerichtet werden. Die Herzoge von Sachsen versprachen auf
vierzehntägige Mahnung mit 40, die Grafen von Holstein mit
80, die
Rathmänner von Lübeck und Hamburg gleichfalls mit 80 Mann zu
folgen."
Im folgenden Jahre (1333) hat gleich jenen sächsischen Rittern auch
ein holsteinischer Knappe aus einem in der älteren Landesgeschichte
sehr bedeutenden Geschlechte, Herr Johannes von Hummersbüttel die
Dörfer des hamburgischen Capitels geplündert und dessen Bauern
gewaltsam behandelt. Aehnliche Rollen in den Besitzungen des
Erzbischofes von Bremen spielten damals die Ritter Otto Schak und
Heinrich von der Borch. 45)
____________________
44) S. Hans. Urkundenb. S. 329.
45) S. historia Archiep. Bremens. Cap. XXXVII, in LAPPENBERGS Bremischen Geschichtsquellen.
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Zu Anfange des Jahres 1338 vereinigten sich
LUDOLF, Bischof zu Schwerin, ERICH I. und ALBRECHT
III., Herzoge von
Sachsen-(Lauenburg), BARNIM, Herzog von Stettin, WOLDEMAR, Herzog
von Schleswig, HEINRICH, Graf von Schwerin, GERHARD, JOHANN und
ADOLF, Grafen von Holstein, ALBRECHT, Herr zu Mecklenburg, JOHANN,
Graf von Gützkow, JOHNANN und CLAUS, Herren zu Werle, ADOLF, Graf von
Schauenburg und CLAUS, Graf von Schwerin, mit den Städten Lübeck,
Hamburg, Rostock und Wismar zu einem Landfrieden auf sechs Jahre,
welcher zwischen dem Danewerk, der Swine und der Oder erhalten
werden sollte. Die ganze Mannschaft, welche alle die Fürsten für
einen so wichtigen Zweck aufbringen wollten, bestand jedoch zusammen
nur aus 255 schwer gewaffneten Reutern und 100 Schützen, wozu jeder
der Herren noch eine Blide, ein drivendes Werk und einen Werkmeister
dazu liefern wollten. Die übrigen Artikel stimmen ganz mit andern
älteren ähnlichen Verträgen überein, nur daß hier sich die Fürsten
sämmtlich unter Strafe des Einlagers verpflichteten.
Wie wenig auch dieses Bündniß fruchtete, erkennen wir schon aus den
Vorgängen der nächsten Jahre. Lübeck empfand schon im folgenden
Jahre 1339 die Nothwendigkeit ein anderes ähnliches Bündniß gegen
See- und Straßenräuber mit mehreren Ostseestädten und den Grafen von
Holstein einzugehen. Die Fürsten beschützten zu häufig ihre
Edelleute, wie wir an dem holsteinischen Grafen ein Beispiel haben,
welcher die Brüder Heidenreich, Thetlev und Helwig Zeveken, Knappen,
gerechter Strafe für den, an einem Rovstocker begangenen Raub, durch
seine Verwendung bei dem Herzoge von Sachsen entzog. 46) Nur die
Ausstellung einer wirkungslosen Urphede, nicht einmal Ersatz des
Geraubten, konnte von den begünstigten Frevlern erreicht werden!
____________________
46) Hanseat. Urkundenb. S. 358.
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Im Jahre 1341 finden wir Hamburg und Lübeck zu
einem neuen Bündnisse vereint gegen das durch unruhigen Geist in der
Geschichte Holsteins bekannte Geschlecht der von Kruimnenduk. Jede
Stadt wollte, wenn die Grafen nicht binnen vier Wochen in Minne oder
dem Wege Rechtens helfen könnten, sodann auf eigne Kosten hundert
bewaffnete Reuter stellen. 47) Graf Heinrich von Holstein und sein
Bruder Nicolaus nahmen sich ihrer Lehnsleute gegen die Städte an;
Graf Johann jedoch verband sich mit letzteren zur Abhülfe jedes
durch seine Unterthanen begangenen Frevels. Er verpfändete ihnen
auch zu diesem Zwecke seine Burg zu Segeberg, in welche sie 200
ihrer Reisigen hineinlegten. 48) Es ward freilich unter den vielen
damals streitenden Partheien zu Kalundburg bis Pfingsten des
folgenden Jahres ein Stillstand abgeschlossen, in welchem die
Städte, welche für König WALDEMAR von Dänemark und dm Grafen JOHANN von Holstein gegen des letzten Vetter und König Magnus von Schweden
sich erklärt hatten, (namentlich Lübeck, Wismar, Rostock und
Greifswalde) mit ihren Verbündeten Theil nahmen, während dessen
jedoch kein Friede vermittelt ward. Hamburg ist hier nicht benannt,
doch geht aus den Urkunden der folgenden Jahre hervor, daß es,
besonders durch die von ihm besoldeten Ritter bedeutend zu Gunsten
der andern Städte und ihrer Mitverbündeten einwirkte.
Im folgenden Jahre erschollen laute Klagen des Domcapitels zu
Hamburg über die, von den in der Raubgeschichte Holsteins schon
bekannten Rittern und Knappen: Scharpenberg, Linow, Tzule,
Hummersbüttel u. a. begangenen großen Verwüstungen. 49) Die Lübecker
und Hamburger hatten sich unterdessen an den Kaiser und den
Markgrafen von Brandenburg mit ihren Beschwerden
____________________
47) Hanstat. Urkundenb. S. 368.
48) Detmar z. J. 1341.
49 STAPHORST Hamburg. Kirchengeschichte Thl. II. 608.
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über die Holsteiner gewandt. Dieser sandte ihnen
200 Gewaffnete zu Hülfe, unter Anführung des dänischen Marschalls
Friedrich von Locken, welcher von Rostock zum Könige von Dänemark
hatte gehen wollen. Die Holsteiner wandten sich jetzt gegen Lübeck,
um den Marschall zu vernichten, doch wurden sie nach manchen
Verheerungen zurückgeschlagen und die verbündeten Städte zogen
nunmehr bis nach Itzehoe und in den dänischen Wald und im ganzen
Lande herum, raubten, brannten und brandschatzten, wie es damalige
Kriegssitte mit sich brachte. Die Städte mit dem Könige von Dänemark
vereint, belagerten mit demselben die Holsteiner, welche sich vor
Kopenhagen befanden und fochten gleichfalls mit jenem gegen den
König Magnus von Schweden, welcher damals ihren Handel und den
Heringsfang bei Schonen gestört hatte. Als jedoch darauf der
dänische Marschall wieder nach Lübeck zog, diese Stadt den Fürsten
von Meklenburg auf zwei Jahre zum Vormunde oder Schutzherrn nahm,
welcher mit funfzig schwer bewaffneten Reutern sie unterstützen
sollte, sie auch den Markgrafen um Hülfe ersucht hatte, verließ Graf
JOHANN die Parthei der Städter und vereinte sich mit seinen Vettern.
Sie nahmen den Lübeckern in Segeberg viele gute Rosse weg, fingen
mehrere reiche Bürger und verwüsteten die Umgegend Lübecks. Doch
wollte diese Stadt von keinem Frieden, welchen der Abt von Reinfeld
zu vermitteln versuchte, etwas vernehmen. Jetzt kamen zu dem
bedrängten Lübeck der Helfer so viele, Baiern, Schwaben und
brandenburgische Märker, daß sie eben so lästig wurden als die
Feinde. Sie machten in zwei Monaten nur zwei Züge gegen die
Holsteiner und geriethen in den Verdacht es mit diesen zu halten.
Reiche Städte, wie Lübeck es in den damaligen Verhältnissen schon
war, haben ihre Hülfstruppen stets sehr theuer bezahlen müssen und
sind durch dieselben gar oft in mißliche Verwickelungen gerathen,
welchen ein anfänglicher kräftiger Widerstand mit eignen Mitteln,
oder eine geschickte, den
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Umständen angemessene Verhandlung zuvorgekommen
wäre. Die Hauptleute des Markgrafen: Graf Günther von Schwarzburg
(der nachherige römische König), der Hovemeister von Reischach und
Herr Henning von Buch zwangen jedoch endlich, den Vortheil der
Grafen von Holstein fördernd, die Stadt zu einem Frieden und einer
Sühne. Die Ausgleichung der Beschwerden sollte im folgenden Jahre am
6. Januar zu Stralsund vorgenommen werden. 50) Dieses gelobten die
Grafen mit ihren Mannen auf der einen, und die Rathmänner von Lübeck
und Hamburg, so wie deren Helfer, namentlich Lange Beyenvleth und
Lüdeke Scharpenberg mit ihren Genossen auf der andern Seite. Die
schiedsrichterliche Entscheidung jedoch, welche Günther von
Schwarzburg zu Stralsund hatte vornehmen wollen, kam weder hier,
noch später zu Rostock, wohin sie verlegt wurde, zu Stande und auf
den bald erfolgten Tod des Herrn von Ryschach unterblieb sie ganz.
Die Grafen und die Städte verblieben jedoch bei dem Frieden; der
widerspenstige Adel aber gab sich sogleich, seiner bösen Unsitte des
Raubens, Stehlens und „bodenstulpens" wieder hin.
Zu Ende des Jahres, am St. Lucien-Tage ward endlich eine Sühne durch
den Grafen von Holstein, mit Rath und Vollbort ihrer Getreuen und
Räthe, mit den Städten Lübeck und Hamburg abgeschlossen. 51)
Letzteren ward Ersatz für allen, ihnen und ihren Helfern seit
Abschlusse des vorjährigen Friedens zugefügten Schaden, vor nächstem
St. Johannisfeste zugesichert. „Wenn die VON KRUMMENDYKE, VON
PORSVELDE, BLOCKESBORCH und MUSHARDS Verwandte, sich von dieser
Sühne ausschließen würden, so wollten die Grafen sie für Feinde er-
____________________
50) S. Urkunde von 1342 Sonntags vor St. Galli (16. Octbr.) abgedr.
in HOFFMANN'S Günther von Schwarzburg S. III. und Berichtigungen im
Hans. Urkundenbuche.
51) S. Samml. Hamburgischer Verfassungen Thl. IX. S.
681 und HEINZE Samml. Thl. I. S. 288.
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klären, angreifen, ihre Festen niederreißen, sie
aus dem Lande vertreiben und ohne Vollbort der Städte sich nie
wieder mit ihnen versöhnen. Wenn andere Holsteiner sich gegen die
Städte vergehen und die Grafen den letzteren nicht binnen der
vertragsmäßigen sechs Wochen Genugthuung verschafften, so stand es
jenen frei, nach Gutdünken gewaltsam zu verfahren, ohne diese Sühne
dadurch zu verletzen. Die Helfer der Städte, namentlich der als
hamburgischer Voigt bekannte Lange Beyenvleth und Ludolf
Scharfenberg, sollten in allen erwiesenen oder besessenen Rechten
ungekränkt bleiben." Viele holsteinische Ritter und Knappen
beschworen diese Sühne, unter denen hier nur Lange Plesse, so wie
Markard, Eggert und Albrecht von Westensee hervorzuheben sind.
Der unruhige Sinn, welcher im holsteinischen Adel seit dem Anfange
des vierzehnten Jahrhunderts so lebhaft hervorgetreten war, brach
nach einigen wenigen Jahren innerer Ruhe, in Holstein wieder hervor.
Die Grafen, welche sogar ihre wichtigsten Festungen ihren
Unterthanen verpfändet hatten, forderten Rendsburg von den
Pfandinhabern: Markard Westensee und Lüder von Krummendyke zurück.
Diese verweigerten aber die Einlösung und es zeigte sich, daß sie
mit dem Ritter Johannes von Hummersbüttel, Detlev von Zülen, Hermann
von Tralow und anderen, zur Vernichtung der Grafen sich verschworen
hatten, welche damals von ihren, auf der Reise nach dem heiligen
Grabe begriffenen Nachbaren, dem Könige Waldemar von Dänemark und
dem Herzoge Erich von Sachsen, keine Hülfe erwarten konnten. Mit den
Seestädten vereinigt, deren Hülfe den Grafen zu jeder Unternehmung,
welche Begründung guter Ordnung und segensreichen Friedens
bezweckte, gewiß war, nahmen die Grafen Heinrich und Nicolaus
Rendsburg ein, so wie auch ein väterliches Erbe derer von Westensee,
die Lakeborch. Hierauf
____________________
52) So schreibt Bangert; Detmar hat Kaleborch; Rantzau in der
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zogen sie vor die Burgen Woltorpe und Steghen,
welche jedoch nicht sobald fielen. Dieser Ort (Stegen) an einer
seichten Furth der Alster, war von dem gräflichen Voigte in
Segeberg, welcher sich das Zutrauen der dortigen lübeckischen und
hamburgischen Besatzung erschlichen hatte, stark befestigt und zur
Störung der Alsterschifffahrt und Beunruhigung der naheliegenden
Hauptstraße Holsteins auf das Schnödeste gemißbraucht. 53) Da die
Vernichtung dieser Raubhäuser vorzüglich im Interesse des
hamburgischen Verkehrs war, so kam zwischen den Grafen Johann,
Heinrich und Gerhard von Holstein und der Stadt Hamburg ein
besonderes Bündniß im Jahre 1347 (August 24) zu diesem Zwecke zu
Stande. In diesem Vertrage ward noch besonders festgesetzt, „daß der
DAMM ÜBER DIE ALSTER BEI STEGEN zerstört werden, auch überhaupt nie
ein Deich über die Alster gestattet werden solle, auch an derselben
nicht gebaut werde, es sey denn ein einfacher unbeplankter
Bergfriede. Die Kosten sollten unter die vier Verbundenen zu
gleichen Meilen vertheilt werden." Unter den Bürgen der Grafen waren
54) die früher als Unruhestifter bekannten Hermann von Porsvelt,
Lange Plesse, Heinrich Glüsing und Detlev Wensin. Die
Dazwischenkunft des Königs Waldemar von Dänemark aber, welcher von
seiner Pilgerschaft
____________________
Holsatiae descriptio (de Westphalen Mon. ined. I. 40) spricht
dagegen von der Zerstörung von Lakensee und Kakesburg. Letztere lag
bekanntlich im holsteinischen Kirchspiele Hohen-Aspe an der
Dithmarsischen Grenze. (Die Lakeborch lag im Kirchspiele Westensee,
am gleichbenannten See, dem Gute Bossen gegenüber. S. v. Mantels
Lübeck und Marquard von Westensee Lübeck. 1856.
53) Dieser Voigt kann kein Anderer als der Ritter Johann von
Hummersbüttel gewesen seyn, welchen wir zu dieser Zeit auf jenem
Schlosse antreffen.
54) S. die Urkunde in Samml. Hamb. Verfass. IX. S.
683. Detmar irrt
also, wenn er die Eroberung von Steghe beim Jahre 1346 erzählt.
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nach Palästina heimkehrte, hemmte jedoch die
Belagerung, wenn es gleich dem Könige nicht gelang, die unternommene
Entsetzung der Burg des ihm durch Lehnsbande und andere Verhältnisse
verpflichteten Ritters zu bewirken.
Erst im folgenden Jahre 1348 (Juli 22) kam ein Vertrag zwischen dem
Könige und den Grafen Heinrich und Nicolaus zu Stande, in welchem
außer anderen Gegenständen über Steghen beschlossen ward: „daß diese
dem Johannes Hummersbüttel „5000 Mark löthigen Silbers dafür geben
sollten. Zum Schlosse STEGEN wollte der KÖNIG noch 5000 m
Rente anweisen. Er übernahm es, den Johannes Hummersbüttel binnen
eines Monats aus STEGEN herauszuschaffen und es dem Hartwig
KRUMMENDYK, Heinrich GLÜSING und Detlev WENSIN zu „überliefern." 55)
Hummersbüttel ward mit Weib und Kindern verbannt; auch WESTENSEE,
dessen Geschlecht in HOLSTEIN nicht mehr erscheint, hat vermuthlich
dieses Schicksal getheilt. HOLSTEIN scheint durch die, bei dieser
letzten Fehde gemachten Anstrengungen der Grafen wirklich beruhigt
zu seyn und wir hören nur noch einmal und auch dieses erst nach
vierzig Jahren, von einem bedeutenden, durch den holsteinischen Adel
angestifteten Landfriedensbruche. Einige Besorgniß vor der Widerkehr
der gewohnten Frevelscenen mogte bleiben und wir finden auch, daß im
Jahre 1349 in der Fastenzeit und im August, Bündnisse zwischen dem
Herzoge Erich von Sachsen-Lauenburg, dem Jüngeren, den Grafen von
Holstein und Schauenburg und den Städten Lübeck und Hamburg auf drei
Jahre geschlossen wurden. 56) Doch bezogen sich derselbe, so wie die
späteren Er-
____________________
55) S. die Urkunde im KIELER MAGAZIN I. 105-108. Schon Suhm
XIII.
191 hält das hier erwähnte Stegen für das HOLSTEINISCHE, nicht wie
Christiani III. 203, für das auf Moen belegene. Jene Ansicht wird
durch oberwähnte Urkunde vom Jahre 1347 bestätigt.
56) S. Hanseat. Urkundenbuch S. 408 und S. 411.
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neuerungen mehr auf die SÄCHSISCHEN Lande, namentlich
Sadelbandingen, Ratzeburg und Wittenburg, in welchen Ländern,
besonders an den Grenzen Holsteins und der Elbe, die schwachen
Herren derselben, den Raubzügen kein Ziel zu setzen verstanden.
Diesen Ländern gehörte nicht nur ein Theil des schon bei den
holsteinischen Unruhen erwähnten Adels an, sondern es hatten sich in
demselben mittlerer Weile auch noch ähnliche Begebenheiten
zugetragen.
Der junge Herzog ERICH von Lauenburg selbst hatte, wie nach ihm der
Prinz von Wales, hernach Heinrich V. von England, im Jahre
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Kräfte und Muth im Berauben der Reisenden und Frachtwagen versucht,
doch in diesem wenig ritterlichen Geschäfte der Lieblinge des Mondes
und Dunkelritter 57) sich so weit vergangen, daß, weil auch sein
VATER demselben nicht Einhalt thun konnte oder wollte, sein VETTER,
Herzog Albrecht (von Möllen), mit gewaffneter Macht und Hülfe der
Städte Hamburg, Lüneburg und Lübeck, 58) die Bedrängten schützen,
die Raubnester zerstören und den Prinzen an seine Fürstenpflichten
erinnern mußte. Die Schuld dieser Unthaten mag vorzüglich der Ritter
Detlev von Zülen tragen, welcher in den Berechnungen der Hamburger
über die von demselben und andern Edelleuten, so wie Herzog Erich
ihnen zugefügten Schäden 59) der Hauptmann und der Vormund
(capitaneus et tutor) der Herren von Möllen genannt wird, worunter
vielleicht selbst die Söhne des Herzogs Albrecht zu verstehen sind.
____________________
57) Dianas foresters, gentlemen of the shade, minions of the moon.
SHAKESPEARE'S Henry IV. P. I. Act. I. Scene 2.
58) S. Chron. Bardov. bei LEIBNITZ. Scr. rer. Brunsv. III. 219 und
Detmar.
59) In der im hamburgischen Archive befindlichen Urkunde vom Jahre
1343 wird
„Detlev de Tzule, tutor et capitaneus dominorum de Molne“ [später
mit: Nicol. Meckelke et suos complices in antiqua Gamma
morantes] noch daselbst verübter Räubereien beschuldigt.
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Einige Jahre später (1345) kauften die Herzoge
Erich der Aeltere und der Jüngere, ihren Mannen, den Scharpenbergen,
die berufene Burg Linow ab und gaben denselben dafür das Land
Dartsing an der Elbe mit der in demselben belegenen Feste. Doch
konnten sie auch dort von gewohnter Sitte nicht ablassen und die
Herzoge Rudolf von Sachsen-Wittenberg und der Herr von Meklenburg
saben sich gezwungen, die Straßenräuber aus dem Lande zu jagen und
ihre Festen zu zerstören. Auch das Städtchen Ratzeburg mußte die
Rache der beleidigten Nachbaren empfinden. 60) Lüdeke Scharpenberghe
vereinte sich aber mit Heinrich Brockdorf und nahmen den Herzogen
von Sachsen das Haus Linow wieder weg, zum großen Schaden der
benachbarten Landmänner und Städter, so wie des wandernden
Kaufmanns. Die frechen Frevler fuhren dort manche Jahre fort, der
Gerechtigkeit Hohn zu bieten, dem ordnenden Bestreben der Fürsten
und der stillen Thätigkeit des betriebsamen Gewerbes eine stete
Plage und schmachvolles Verderben. Erst der oben erwähnte Landfriede
vom Jahre 1349 fruchtete zur Vertilgung eines Raubwesens, welches in
dem kleinen Lande so ausgebreitet war, daß es kaum zu begreifen ist,
wie diejenigen Stände, denen Eigentum und Friede wesentliche
Bedingungen sind, fortbestanden. Die Lübecker zogen sogleich, unter
Anführung des herzoglich sächsischen Voigtes, Hartwig von Ritzerow,
gegen das Haus Bernstorf, am östlichen Ufer des Schalsees, welches
damals in den Händen der Zülen war. Es ward bald eingenommen und
viele dieser Meister der freien Künste kamen um's Leben. Zwischen
Pfingsten und St. Johannis eroberten und zerstörten die Verbündeten
binnen zehn Tagen folgende neun Festen: Zecher (Kchsp. Seedorf),
Meydorf (? Niendorf?), Borchardestorpe (Borstorf), Lanken (Kchsp.
Sahms), Nannendorf und Steinhorst (Kchsp.
____________________
60) Chron. Bardov. I. 1.
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Sandesneben), Culpin (Kchsp. St. Georg bei
Ratzeburg), und Gudow, letzteres erst nach viertägiger Belagerung
und mit Hülfe der Bliden und anderer Belagerungswerkzeuge; ferner
Neborch, dessen Lage nicht bekannt ist. 61) Als die Bundesgenossen
damit beschäftigt waren, die Wälle der eroberten Schlösser
abzutragen, zog Hartwig von Ritzerow mit zwanzig Reutern, einem
Pfeifer und einem Trommelschläger („bunghere") vor das Haus Galline,
im Lande Wittenburg, welches gleichfalls denen von Zülen gehörte und
verkündete, daß die Lübecker es besetzen wollten. Die kleine
Mannschaft, welche auf demselben war, entfloh und der herzogliche
Voigt zog auf dasselbe und verfuhr nach Kriegsrecht. In Folge eines,
am 10. August abgeschlossenen Vertrags vereinten sich jetzt Graf
ADOLF von Schauenburg und die Stadt Hamburg mit den Theilnehmern des
gedachten Bündnisses und man beschloß nunmehr die schlimmsten der
Feinde, die SCHARPENBERGE auf Linow, anzugreifen. Kurz vorher hatten
diese mit Heine Brokdorf, da ihnen bei der gründlichen Aufräumung so
vieler ihres Gelichters bange werden mochte, mit dem hamburgischen
Domcapitel ihren Frieden abgeschlossen, worin sie demselben, wenn
sie dereinst zu BESSEREM Glücke gelangen würden, Ersatz versprachen
für den jenem zugefügten Schaden, als sie im Dienste des
hamburgischen Raths und auf Veranlassung der Streitigkeiten des
Capitels mit demselben, gegen die holsteinischen Grafen Krieg
geführt hatten. 62) Doch half ihnen jetzt diese Sühne so wenig wie die
starken Mauern ihrer Räuberburg, ob. gleich die Belagerung derselben
eine mühevolle ward. Aus vorhandenen, im Lager vor der Burg
erlassenen Schreiben erhellt,
____________________
61) Es lag bei Gudow und der Burgplatz wird namentlich in der
Hagemannschen Grenzbeschreibung von 1591 aufgeführt.
62) S. die oben angeführte Urkunde von 1343, worin Ludolf
Scharpenberg als ein Helfer von Hamburg aufgeführt wird, so wie die
Schadensrechnungen des Capitels.
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daß die verbündeten Fürsten, Herzog Erich, die
Grafen Johann, Gerhard und Adolf, sich SELBST dahin begeben hatten,
so wie mit 1500 Bürgern die Lübecker Rathmänner Bertram Vorrad und
Dietrich von Ulsen. Letzterer, dessen Todestag auf den 29. August
1350 angegeben wird, scheint also daselbst gefallen zu seyn. Wenige
Tage darauf waren die von Hamburg verheißenen Belagerungsgeschütze
angelangt und nach drei Wochen, am St, Michaelistage, fiel endlich
das Raubschloß. Die Lübecker und Hamburger brachen sogleich den
Thurm und die Mauer nieder und zerstörten sie von Grund aus. Die
Geschichte hat von diesem Schlosse nie wieder zu berichten gehabt.
Doch es half noch wenig, daß jene Wolfshöhlen und Diebsspeicher
zerstört waren. Die ehemaligen Inhaber derselben hatte man
größtentheils entfliehen lassen, da sie mit vielen der Belagerer
durch nahe Bande der Verwandschaft, gleiche Standes- und
Lebensverhältnisse, oft auch wohl durch geheime Einverständnisse
verknüpft waren. Der Herr von Meklenburg, durch die Aussicht
bewogen, sich derselben in einem mit Dänemark bevorstehenden Kriege
bedienen zu können, nahm sie in seinem Gebiete auf und duldete, daß
sie von demselben aus, ihrer alten Hanthierung auf den Landstraßen
folgten. Im Anfange des Decembers desselben Jahres, rückten demnach
Herr Hartwig von Ritzerow und der neue Voigt des Herzogs von
Sachsen, Heinrich Lüchow, mit dem lübeckschen Stadtvoigte in das
Land Wittenburg und zerstörten vier Festen binnen 24 Stunden. Drei
derselben: Neuenkirchen, Tessin und Camin gehörten wiederum dem
Geschlechte der von Zülen, die vierte. Kussin, dem von Stuken. (?)
Doch nach wenigen Jahren waren diese, auf dem Boden des damaligen
ungeselligen Zustandes der Dinge unzerstörbar verheerenden
Giftpflanzen wieder empor gekeimt. Im Jahre 1352 (Dec.
6.) ward auf
Vermittelung der Grafen Heinrich und Nicolaus von Holstein zwischen
dem Rathe der Stadt Hamburg
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und Lüdeke Scharpenberg, der einst im Solde der
Stadt gestanden hatte, so wie seinem BRUDER HEINRICH und Vicke
Lützow ein Stillstand bis zu Lichtmessen beschlossen. Das folgende
Jahr brachte aber keinen Frieden. Lübeck sah sich vielmehr
gezwungen, mit den meklenburgischen Fürsten, welche jetzt die Gefahr
der Beherbergung der lauenburgischen Verbannten empfinden mochten,
mit anderen Herren und Städten, unter denen auch Hamburg, sich zu
verbinden. Es wurden wieder viele Raubhäuser, von denen aus dem
Handel großer Schaden geschehen war, in den Grund geschossen, als
Dutzow (Kchsp. Mustin); Lassahn, nicht fern von dem neulich
zerstörten Bernstorf, Redebin, Domenitz (Dömitz), Meghenborch,
Muchenborch.
Zu Martini des folgenden Jahres 1354 finden wir wieder die gedachten
Scharpenberge und Volrad Lützow nebst ihren Freunden Claus
Parkenthyn, Eler Modentyn u. a. in Verhandlungen mit den
Abgeordneten des hamburgischen Raths zu Lübeck, in Gegenwart der
Ritter Markard Brockdorf und Heinrich von Reventlow, so wie der
lübecker Rathmänner Heinrich Plescow und Johann Partzeval. Wir
ersehen aus dem auf uns gekommenen Actenstücke, daß schon damals und
selbst bei den gerechtesten Gründen und unter Einwilligung des
Landes- und Lehnsherrn, die Vertreibung einer größeren Masse des
landsässigen Adels, zu den fast unmöglichen Dingen stets gehört hat.
Jene Ritter machten an den Rath zu Hamburg Ansprüche wegen der
Niederbrechung der Burg zu Linow und der Vorfälle zu Dutzow, wobei
sie doch ohne Zweifel zu den Schuldigen gehört hatten. Sie gelobten
einen Frieden für eine gewisse kurze Frist den Rathmännern und
Bürgern von Hamburg, so wie den Grafen Heinrich und Claus von
Holstein und Stormarn. Nur die Rachmänner von Hamburg, welche
verfestet waren ehe der Streit entstand, sollten in diesem Tage
nicht einbegriffen seyn. Wir
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wissen nicht mehr, worauf diese Ausnahme sich
bezog, die vielleicht auf persönlichen Verletzungen beruhte.
Um dieselbe Zeit hatten Lübeck, Rostock, Wismar und viele kleine
wendische Städte als Grevismühlen, Gadebusch, Sternberg, Ribnitz,
Gnoien, Schwerin, Wittenburg und Neustadt mit den Herzogen Albrecht
und Johann von Meklenburg, JOHANN von Sachsen und Otto, Grafen von
Schwerin (1354. Nov. 1.), so wie mit letzterem Lübeck schon im
vorhergehenden Jahre ein Bündniß wegen des Landfriedens
abgeschlossen. 63) Vielleicht war das Resultat dieser Bündnisse für
die Lübecker die Einnahme der Feste Gorlose (vor Pfingsten
1354),
obgleich Ludwig der Römer, Markgraf von Brandenburg, ehrenwerthe
Abgeordnete an Lübeck und die städtischen Mitbelagerer sandte, um
sie zum Abzug von der Feste zu bewegen. 64)
Während auf solche Art Meklenburg durch die stets mächtiger werdenden
und zu den bevorstehenden größeren Fehden sich verbindenden Städte
befriedet ward, auch das Holsteinische nicht wieder zu den Jahren
übermüthiger, keine Sitte und keine Kraft ehrender Kräfte
zurückkehrte, fuhr LAUENBURG fort, ein zwar etwas verändertes, doch
nicht minder trauriges Schauspiel darzubieten. Nachdem der dortige
Adel gebändigt war, finden wir den ältesten Herzog der ältesten
Linie dieser Häuser, den rechtmäßigen Erzmarschall des Reichs und
Inhaber der Kurstimme, den Sohn Albrecht III., welcher sich um die
Ruhe des Landes durch einen Streifzug gegen seinen Vetter, den
Herzog Erich I., bemüht und den Namen des Guten erworben hatte,
Erich II. auf seinem Schlosse Bergedorf mit Räubern, Verfesteten und
geraubter Habe umringt. Einen bedeutenden Theil seines Landes, die
Stadt und Voigtei Möllen hat er im Jahre 1359 für eine beträchtliche
Summe an
____________________
63) S. Ungnaden amoenitates. 368. Heinze Samml. I. 281.
64) Hans, Urkundenbuch S. 432, Detmar S. 279.
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Lübeck verpfändet, wodurch der verarmte Fürst,
dessen Großvater von der jüngeren Linie seines Hauses um einen
bedeutenden Theil seines väterlichen Erbes geschmälert war, seine
Geldnoth für eine Weile stillen konnte, Lübeck aber, woran den
Städten in solchen Fällen mehr als am Erwerbe von Ländereien lag,
das sicherste Mittel in die Hände bekam, alles Unwesen der
Buschklepper und Strauchritter in der Nähe zu unterdrücken. Nicht
lange nach dieser Verpfändung war es, daß er, andere Mittel der
Bereicherung versuchend, das Land und den Elbstrom mit gieriger
Leidenschaft und gewaffneter Hand durchspähend, trotz der, erst
1357
den Hamburgern rücksichtlich der Elbschifffahrt gegebenen
Zusicherungen, 65) Anwohner der Elbe so sehr gegen sich aufgebracht
hatte, daß wir Albert, den Erzbischof von Bremen, die Herzoge von
Braunschweig und Lüneburg, (WILHELM und LUDWIG), den Grafen von
Holstein, (ADOLF), die Städte Hamburg, Stade und Buxtehude und das
alte Land sich vereinten, gegen den Herzog Albert von Sassen und
seinen Helfer vor das Schloß Bergedorf zu ziehen, dasselbe zu
berennen und zu vertilgen. 66) Diese Vereinigung ward jedoch nicht
ausgeführt, vielleicht kam sie nicht einmal zu Stande. Albrecht's
jüngerer Bruder Erich versetzte (im Jahre 1370) auch Bergedorf an
Lübeck.
Die feindlichen Raubzüge einiger Meklenburgischer Edelleute (v.
Klenow, v. Qualen, Plesse, Moltke, Bülow und Lützow) bis in das
hamburgische Dorf Hamm im Jahre 1364 mögen ihrer Kühnheit wegen hier
erwähnt werden. 67) Auch die vorher schon angedeutete letzte Fehde
in Holstein, welche im Jahre 1364 zwischen Lübeck und den Herren von
Buchwald gefochten ward, gehört nicht ganz mehr der obigen
Raubgeschichte an, wenn sie gleich die ungebändigte rohe Gesinnung,
aus welcher jene Be-
____________________
65) S. die Urkunde bei Schuback de jure littoris.
66) S. Urk. (1361-67) im Hans. Urkundenb. S. 466. Detmar z. J.
1361.
67) S. Hans. Urkundenb. S. 544.
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gebenheiten hervorgingen, hinlänglich zeigt. Ein
Lübecker, aus dem reichen Geschlechte der Murkerken, hatte, da er
die Pacht und Abgaben aus mehreren ihm zuständigen Dörfern nicht
erhielt, zuletzt im Wege Rechtens die pflichtigen Güter pfänden
lassen. Die von Buchwald, vermuthlich die Hauptschuldner, legten ihm
einen Hinterhalt, fingen den unglücklichen Mann und peinigten ihn
auf die schauderhafteste und schmachvollste Weise, so daß er bald
darauf starb, worauf jene Henker ihm noch den Kopf abhieben. Diese
Missethäter erbitterten ganz Holstein, dessen Grafen ihre unwürdigen
Lehnsleute den rächenden Strafen der Lübecker überließen. Diese
zerstörten darauf die folgenden Buchwaldschen Schlösser:
Hemmingstorpe (Himmelstorf Kchsp. Ratkau), Suicrode (Schwienkenrade
Kchsp. Curau), Swinkule (Kchsp. Sarau), Widdelo (Wedelo, jetzt Häven
Kchsp. Travemünde), Sconenkampe (Kchsp. Curau) und Robbertstorpe
(Kchsp. Ratkau). 68)
Die großen Kriege der Städte mit dem nordischen Reiche beschäftigten
jetzt zwar viele Rittersleute im Dienste der Fürsten oder der Städte
auf eine würdigere Weise als früher, doch der wiedergekehrte Friede
machte noch häufig neue Vereinigungen für den Landfrieden
erforderlich. So wie sie gleichwohl seltener wurden, so führten sie
auch weniger zu kriegerischen Ausrüstungen und Fehden und näherten
sich mehr einem gemeinschaftlichen polizeilichen Institute. Sehr
deutlich ergiebt sich dieser Unterschied, wenn der oben ausführlich
berichtete Landfrieden vom Jahre 1283 mit demjenigen
zusammengehalten wird, welcher fast ein Jahrhundert später zwischen
den Herzogen Erich dem Aelteren von Sachsen (Bergedorf), Erich dem
Jüngeren von Sachsen (Lauenburg), HEINRICH, CLAUS und ADOLF, Grafen
von Holstein, OTTO, Grafen von Schauenburg und den Städten Lübeck
und
____________________
68) S. Detmar: Die Nachweisung der Lage dieser Oerter ergiebt sich
aus dem Register der Zehnten des Lübeckschen Bischofs um's Jahr
1427
in LÜNIG Spic. eccles. T. II. pag. 418 sqq.
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Hamburg verlängert ward. 69) Wenn gleich die
wesentlichen Bestimmungen dieselben wie früher blieben, auch
beträchtliche Mannschaft zur Verfolgung der Räuber bereit gehalten
werden mußte, (durch Hamburg und Lübeck 120
und im Nothfalle 360
Gewaffnete), so ist lediglich von Festnehmung und Bestrafung der
Thäter die Rede. Ueber Beute, Brandschatzung, Gefangene wird
1382
nichts mehr gesagt. „Die Amtleute besonders sollen Frevler der
Strafe nicht entziehen und das geraubte Gut nicht vorenthalten. Es
sollen ferner Landvoigte angesetzt werden, damit man die kundbar
gewordenen Verbrecher verfolge und den Landfrieden erfülle; auch in
jeglichem Kirchspiele vier der besten Bauern beeidigt werden, daß
sie dem Landvoigte melden wollen, was sie als im Widerspruche zum
Landfrieden stehend, in Erfahrung bringen. Diese Landvögte sollen
vier mal im Jahre zu Oldesloe zusammenkommen und sich wegen der
Angelegenheiten des Landfriedens berathen." Ein besonderer Schutz
für alle Kaufleute fällt nunmehr weg. Auch verbürgen sich die Ritter
nicht länger für den Landesherrn. Einer Erneuerung dieses
Landfriedens gedenkt Detmar bei den Jahren 1389 und
1392.
Aus den meklenburgischen Landen fielen noch häufig Räuber in die
diesseitigen Grenzen ein und beim Jahre 1385 werden als Anführer
derselben Maltzahn von Bortzowe, Henneke Mallyn von Gometowe,
Heinrich von Bülow von dem Prensberge, ein anderer gleiches Namens
von Tritzem und Tideke Bülow von Radem genannt, welche unter andern
die Heerden der lübeckschen Stadt Möllen weggetrieben hätten. Die
Lübecker vereinten sich damals mit dem Könige Albrecht von Schweden
und zerstörten unter ihren Rathmännern Herren Thomas Murkerken und
Johann Westhof gegen dreißig starke Bergfrieden und Höfe der
Straßenräuber. 70) Der
____________________
69) S. den Vertrag v. J. 1382 Febr. 2. in Samml. hamb. Verf. IX. 686
und vgl. oben z. J. 1333 und 1349.
70) S. Detmar und Rufus bei GRAUTOFF a. a. O. S. 332.
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Streit der Lübecker mit Detlev Gudendorpe im Jahre
1386, bei welchem ihr Hauptmann Henneke Scharpenberg erschlagen
ward, war von keinem allgemeinen Interesse; 71) erheblicher die
Zerstörung des Schlosses zu Wehningen, welche sie im Jahre
1389
gemeinschaftlich mit dem Grafen Adolf VII. von Holstein
bewerkstelligten. Wahrscheinlich war dieses das an der Stelle des im
Jahre 1291 zerstörten, neu erbauete Schloß gleiches Namens.
So wie bei diesen holsteinischen Angelegenheiten die Lübecker
gewöhnlich hervortreten, so die Hamburger bei dem noch wichtigeren
Werke der Befriedung der Elbe, in welchem wir sie fast immer allein
erblicken. Es wurden deshalb, besonders seit dem Ende des
dreizehnten Jahrhunderts viele große Unternehmungen nothwendig, wo
sich aus dem etwas beruhigten LANDE der Raubgeist auf das bei sehr
vermehrtem Handel viel mit kleinen Handelsschiffen befahrene Meer
geworfen hatte. Zu diesem Zwecke hatten sie seit langer Zeit schon
die Insel Neuwerk besetzt, das Amt Ritzebüttel sich verpfänden
lassen, die dortige Burg erobert; im Jahre 1390 das Schloß zu
Glindesmor (Moorburg) angelegt; ließen bald darauf das ganze Land
Hadeln sich verpfänden und zur gründlichsten Abhülfe der Seeräuberei
eroberten sie zuletzt Emden und Norden und erhielten sich den Besitz
von Ostfriesland bis die Erhaltung desselben zwecklos ward. Diese
Verdienste um die Bändigung roher Sitte und Begründung des Friedens
und der Sicherheit, welche dem jetzigen Zustande Europas so innig
verknüpft sind, daß wir die verhältnißmäßige Neuheit derselben, in
der Weltgeschichte gar leicht zu übersehen gewohnt sind, waren mit
vielen Aufopferungen der Bürger verknüpft und mußten einen
gediegenen kräftigen Sinn bei ihnen erhalten, welchen die Geschichte
und noch die Gegenwart in dem vielfach begünstigten Namen der freien
Hansestädte ehren. Daß
____________________
71) S. Detmar z. J. 1385 und 1389.
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nur dasjenige Schwerdt und Schild, welches den
Oelzweig erstreben, den Lorbeer verdienen, daß den Krieg und den
Krieger nur die Gesinnung adelt, darüber hat die dankbare Nachwelt
schon oft entschieden.
In den, unter viele Fürstengeschlechter und deren zahlreiche
Nachkommen vertheilten slavischen Landen hatte die Nichtachtung des
Eigenthums und die Verachtung der Privatrechte einen zu festen Fuß
gefaßt, um selbst zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts einer
besseren Ordnung der Dinge zu weichen. Doch war jene rohe Gesinnung
aus den alten namhaften Geschlechtern gewichen und zeigte sich jetzt
mehr in einer untergeordneten Masse, welche unbegütert und namenlos
schon damals manchem Vorwurfe und jetzt der historischen
Nachforschung sich entziehen. Jene finden wir jetzt häufig, bald im
Dienste, bald in freieren aber engeren Verpflichtungen zu Städten,
wie die Scharpenberge auch in dieser Beziehung genannt sind. Im
Jahre 1391 vereinten sich die Herren von Lützow mit Lübeck, wobei
die Stadt jene zu beschützen versprach, diese derselben den freien
Eintritt und das Besatzungsrecht der Schlösser Wittenborch und
Grabow überließen. Bei diesem Vertrage beabsichtigte Lübeck,
zunächst die Sicherheit der auf seine Kosten begründeten
Wasserstraße, welche durch den, die neu aufgeräumte Delvenau und
Stecknitz unmittelbar verbindenden Graben, die West- und Nordsee mit
der Ostsee auf einem sehr verkürzten Wege verband. 72) Denselben Zweck,
so wie die Sicherheit der Oberelbe hatte ein Vertrag, welchen Lübeck
und Hamburg mit den gleichfalls zur Ordnung der bürgerlichen
Gesellschaft bekehrten Herren von Zülen eingingen, in welchem diese,
gegen große erhaltene Vortheile, jenen Schloß und Stadt Boitzenburg
auf drei Jahre zur freien kriegerischen Besetzung
____________________
72) Von einer bald darauf erfolgten Fehde jenes sehr begüterten
Geschlechtes mit dem Herzoge von Lauenburg s. Detmar z. J. 1392 der
hier letzteren sehr tadelt.
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einräumten. Es waren diejenigen Zweige dieses
Geschlechtes, welche den Namen der vor einigen Jahren zerstörten
Raubschlösser Gudow und Camyn trugen. Die Rücksichten bei den
gegenseitigen Hülfleistungen wurden genau bestimmt; „gegen die
Herren von Meklenburg wollten die von Tzüle die Waffen nicht
tragen; ihre Freunde, (deren viele alte Feinde der Städte seyn
mogten), sollten, wenn mit jenen zu Kriegsdiensten vereint und unter
deren Gewährleistung, nicht angegriffen werden. Hamburg und Lübeck
verhießen die von Tzüle, falls diese angegriffen würden, jede Stadt
mit einer Blide und zwei Büchsen nebst dreißig Gewaffneten,
Zimmerleuten und Büchsenmeistern zu unterstützen, auf jener Gefahr,
doch auf Kosten der Ritter. Sollte jedoch Boitzenburg denen von
Tzüle vor Ablauf der drei Jahre eingelös't und abgenommen werden, so
ist der Vertrag aufgehoben."
Die bessere Gesinnung, welche sich bei dem nordelbischen Adel im
Allgemeinen entfaltete, mußte jedoch nicht wenig durch das böse
Beispiel, welches der Herzog von Lauenburg gab, geschwächt werden.
Auf diesen waren durch das Aussterben der älteren, wenn gleich wenig
begüterten und sehr verschuldeten Linie seines Hauses in der Person
Erich III., Herzogs von Sachsen, Engern und Westphalen, (welcher,
nachdem er seine gerechten Ansprüche auf die Kurwürde und das
Reichsmarschallamt verabsäumt und alle Erbtheile veräußert hatte,
auf dem an Lübeck gleichfalls verpfändeten Schlosse zu Bergedorf
gestorben war), die landesherrlichen und Eigenthumsrechte an
sämmtliche Lauenburgische Landes-Antheile, mit Ausnahme des früher
und mit seiner Genehmigung veräußerten Amtes Ritzebüttel vererbt.
Doch war die Besitzung und die Benutzung dieser Lande vor Einlösung
des auf demselben haftenden Pfandschillings rechtlich nicht zu
erlangen, da sie nach dem Staatsschuldensystem jener Zeit dem
Gläubiger des Fürsten als Faustpfand überlassen waren; ein System,
auf welches später das des Staats-Credits und der
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papiernen Verschreibungen gefolgt ist, welches,
wenn gleich für Gläubiger, wie Schuldner financiell und moralisch
verderblicher als jenes, doch immer dem Nationalwohle zuträglicher
erachtet werden muß.
Des erbenden Lehnsvetters erstes Bestreben war nunmehr, da die
Geldmittel zur Abfindung der Gläubiger fehlten, die, von seinem
verstorbenen Vetter, an Lübeck verpfändeten Ländereien und Orte mit
Gewalt wieder an sich zu reißen. Wie er bei Bergedorf verfuhr, möge
uns der Zeitgenosse Hermann Corner in der lebendigen
niedersächsischen Uebertragung des Rufus, z. J. 1400, berichten. 73)
„Darna in deme somere quam desulve hertoge erik unde wan
bergerdorpe, dat slot, dat syn vedder (vader) settet hadde den van
lubek vor ene summen geldes. Dat sulve slot hadde inne van der
lubeschen wegene en gud man, genomet OTTE VAN RYTZEROWE, unde was
dessulven hertogen erikes man beseten. To deme sprak de hertoge, dat
he ene uplete in guden loven. De gude man versach sik gudes unde
truwen loven to syme heren, he leet ene up de borch mit den synen.
Do de hertoge uppe deme slote was so stark alse de voget Otto, he
sprak: „dyt slot is unsen rechte erve; hyr scholtu, Otto, van
scheden; wy willet hyruppe blyven." 74) Dar wart de gude man bedrogen in
____________________
73) Lübeckische Chroniken Thl. II. S. 460. Aus dieser hat nun
Crantz
Saxoni al. X. cap. 19 ad a. 1401 geschöpft.
74) Die Herren VON RITZEROWE waren ein altes lauenburgisches
Rittergeschlecht und standen in vielfachen Verbindungen zu Lübeck,
RAVEN erscheint schon 1227 in der Umgebung der Grafen von Schwerin.
Vielleicht war er der Ritter WALRAVEN, dessen Testament v. J. 1240
vorhanden ist. ALBERO ist uns merkwürdig dadurch, daß er
1243 dem h.
Geist-Hospital zu Hamburg dessen Stammbesitz zu Eilenbeck an der
Alster verkaufte. Vermuthlich war er der Truchseß des Grafen Adolf
IV. von Holstein 1236 Decb., vielleicht auch der mit dem hamburger
Domcapitel be-
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guden loven van sinem heren, unde moste gan von
deme slote mit den sinen. Det wart he hoge bedrovet unde wuste
nicht, wes he wolde begynnen. He wart to lesten des to rade, dat he
to Lubek inred unde gav sik deme rade gevangen. Darboven droch he up
der stad syne veste, de RYTSEROWE genomet was, unde gink mit willen
in der stad vengnisse unde slote. Dar was he inne wol by twen jaren,
unde starf darinne van melancolien."
Reimar Kock fügt noch hinzu :
„De van Lubeck beklageden sik mit Breven bi den umbliggenden Forsten
und Steden, dadt Hartich Erick also gehandelt. Vele Forsten
schrevenn dem Hertog Erick, dadt he sinem forstlicken Namen eine
grote Vorkleneringe gedahn hadde; averst he nahm idt nicht tho
Herten unde bleff uppe deme Huse."
In einem, nach schiedsrichterlicher Vermittlung der Städte Hamburg
und Lüneburg erfolgten Vertrage, blieb der größere Theil der
verpfändeten Länder bei Lübeck; BERGEDORF jedoch, wo vielleicht das
Recht eines Besitzes geltend gemacht ward und wofür andere
Gewährungen in Anschlag gebracht wurden, behielt der Herzog. Jetzt
begannen von hier aus wieder die Streifzüge
____________________
freundete Truchseß ALBERNUS in Lauenburg 1252. BERTOLD erscheint in
Lübecker, Möllner und Hamburger Urkunden von 1248,
1262, 1286. Ein
jüngerer WALRAVEN erscheint 1274. 1282 übernahm er die Verpflichtung
zum Einlager für seinen Herzog, Johann I. von Sachsen, gegen die
Stadt Lübeck. 1283 tritt der Ritter Hartwich auf und zwar in
zahlreichen Documenten, während 35 Jahre. Einen gleichbenannten, den
Lübeckern befreundeten herzoglichen Voigt haben wir oben z. J.
1349
kennen gelernt, den wir noch 1370 finden. 1359 erscheint mit ihm
CONRAD; 1377 allein nur BERTOLD. 1393 und
1394 erscheint der obige
OTTO, welcher das Gut Stackrade einem Lübecker verkaufte.
1404
führen sein Vetter Henneke und Volrad ihn als verstorben auf. Ueber
diese Namen und neuere vergl. außer den bekannten Urkundensammlungen
die gründliche Nachricht an die Vogtey Mölln. 1740.
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und Hinterhalte, welche schon zur Zeit des
bergedorfischen Herzogs Albrecht den Namen seiner Residenz in die
verhaßteste Anrüchigkeit gebracht hatten. Als Erichs Schloßvoigt
lernen wir den Knappen HINRICH MILDEHOVET kennen, aus einem durch
Verdienst um die frühere Eindeichung und Cultur der hamburgischen
Elbmarschen ehrenwerthen Geschlechte.
Die Vasallen dieses Lehnsherrn bedurften keiner Räuberpatente. Von
dem Geschlechte der von Züle war ein Stamm im Lauenburgischen
geblieben, welcher schon früher 75) gleich seinem Herrn, seine
Besitzung, die obengedachte Burg Steinburg an das Stift Ratzeburg
verkauft hatte. Der jüngere der damaligen Verkäufer, Make von
Tzule,
genannt von Steinhorst, hausete, jetzt auf einer Burg dieses Namens,
ohnfern der holsteinischen Grenze, von welcher ein bedeutendes Amt
noch jetzt den Namen trägt. Er hatte von derselben aus häufig den
wandernden Kaufmann und die hamburgischen Bürger auf der
holsteinischen Heerstraße angefallen und beraubt und auf wiederholte
Mahnungen des Grafen Heinrich von Holstein, wie des Rathes zu
Hamburg nicht geachtet. In einer offenbaren entsagten Fehde
bestellten nunmehr diese vereint die Raubburg und wurden derselben
binnen der Fehde mächtig. Die Hamburger fanden daselbst geraubtes
Kaufmannsgut und nahmen den Knappen Make gefangen, welcher bald
darauf, während eines ihm gestatteten Tages außerhalb Hamburg starb.
Der Graf fing den Ritter Heinrich Wesenberg und ließ als Herr und
Hauptmann, auf dem Felde mehrere Knechte als offenkundige Räuber
hängen. Herzog ERICH wandte sich mit dieser und andern Beschwerden
gegen die Hamburger an den Hansetag zu Lübeck, deren Widerlegung
aus der noch vorhandenen bündigen Erwiderungsschrift sich leicht
ergeben mußte.
____________________
75) Urk. vom Jahre 1393 im dipl. Ratzeburg, bei WESTPHALEN
Mon.
inedit. T. II.
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Eben so sehr spricht aber gegen den Herzog Erich sein eignes
Verfahren, worüber und dessen Folgen hier großentheils mit den
Worten von Crantz (Saxon. libri XI. Cap. V.) berichtet werden möge:
Erich, Herzog von Niedersachsen, hatte sich bereits durch vielfache
Veranlassungen seinen Nachbaren verhaßt gemacht, besonders den
benachbarten Städten, weil er die den Lübeckern von seinem Vater
verpfändete Burg Bergedorf, ohne seine Geldschuld zu zahlen, wieder
weggenommen hatte, vor allem aber deswegen, weil er die Räuber auf
den öffentlichen Landstraßen begünstigte. Diese gingen aus der
Bergedorfer Burg auf einem unterirdischen Gange unter dem Wasser
hervor, sodann durch den dichten Sachsenwald auf die Landstraßen, um
dort Hinterhalte zu legen, und führten dann die gefangenen Kaufleute
mit bedeckten Augen in der Nähe umher, als ob sie ein großes Stück
Weges gegangen wären. Sie hatten verborgene Schlupfwinkel in den
Bergschluchten, wo sie die Gefangenen bis auf den letzten Heller
ausplünderten, und entließen sie dann völlig beraubt bei Nacht in
unwegsame Gegenden, wenn sie lebendig davon gekommen waren.
Dergleichen Streiche erlebten die Bürger in den benachbarten Städten
viele.
Wir schließen hier die Erzählung des ferneren Verlaufes in den
Worten der niedersächsischen Nachbildung des Hermann Corner, der
gewöhnlichen Quelle des Crantz z. J. 1420.
„De van LÜBEKE unde van HAMBORCH beleden dat slot BERGHERDORPE daghe vor sunte Marghareten unde hadden in ereme here by achte
hundert wapene to perde unde twe dusent to vote unde dusent
schütten. Ok hadden se dar vele groter dunnerbüssen unde vele andere
retschop dar me slote mede plecht to winnende. Do se dar erst
vorquemen, do branden se dat wikbelde unde nemen wat dar was; darna
stormeden se dat slot myt büssen veer ganse daghe, dat de uppe deme
slote weren, kene
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rouwe konden hebben, unde schoten de huse entwey
in muren unde in daken. Mer in deme vesten daghe des morghens terden
se dat bolwerk unde brenden dat. Do musten de darbynnen weren, van
noet weghen wyken bynnen de muren des slotes; tohand volgheden de
stede bynnen dat bolwerk unde beghunden to stormende de muren. Do
se dat seghen up deme slote unde merkeden, dat se dat slot nycht
lange holden kunden unde hertich Erik se nycht konde entsetten, do
gheven se dat slot den steden myt sodanen underschede, dat se
mochten afgahn vryg mit beholdinghe eres gudes. Dit beleveden de
stede. Aldüs ghingen daraf by vertich mannen unde antwerdeden de
slote den borgermestern her JORDEN PLESCOVEN van Lübeke unde her
HINRIK HOYERN van Hamborch. Altohand ghingen se darup, unde steken
darut ere banre, unde setteden hovedlude darup, de dat bewarden to
truwer hand der stede. Ok sanden se en deel eres volkes uppe de
elve, dat se scholden wynnen dat castel RYPENBORCH. Alse se dar
quemen, do gheven deghennen, de dar uppe weren, myt willen dat
castel, wente se kunden id nicht holden vor den steden. Do steken se
ok dar ere banre ut, unde toghen do vort an vor de veste to
KORDEWORDE (Kudworde), unde breken dat gantz nedder.
Alse dit was ghescheen, so wart dat orleghe in daghe settet veerteyn
daghe twischen deme herteghen unde den steden. Dar na to hand wart
eyn gemene dach to PARLEBERGHE. Dar quemen tosamende markgreve
vrederik van brandenborch, hertich willem van lüneborch, hertich
casemer van stetyn, hertich johan unde hertich albert van
mekelenborch, hertich van lovenborch, balthaser de here van wenden
unde de ghans van putlyst; ok quemen dar de sendeboden der stede
lubek, hamborch, rostock, luneborch unde wismar. Uppe deme daghe
wart erst vorsonet dat orleghe twischen deme markgreven unde deme
herteghen van
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stetyn unde meckelenborch, unde de vanghenen
worden quyt gegheven to beyden syden. Ok wart da vorsonet dat
orleghe twischen hertich erik unde den steden lubek unde hamborch in
desser wyse, dat hertich erik unde sine brodere scolden vorlaten vor
sik unde vor ere erven bergherdorpe unde rypenborch myt alme rechte
unde aller tobehoringhe to ewyghen tiden, also dat se myt alme
rechte scholden wesen der stede vorghenomet, unde dit scholden se
besegeln unde bebreven. Item scholden se weddergheven deme rade van
lubeke enen bref, de sprak uppe drehundert mark ewyyer rente, dar
sik de rad van lubeke to verpflichtighet hadde den hertigen unde
eren erven to ghevende, uppe dat se de straten scholden velich
holden unde beschermen de stad, wanne unde wor se des noet hadde,
wente nu de heren des langhe tyd nycht ghedan hadden, men sulven de
straten beschediget hadden unde ok anderen des ghegunt, dat se de
straten beroveden: also worden se des breves unde der renten
berovet; darmede scholden se vrunde wesen to beyden syden."
Diese Fehde war von dem glücklichsten Erfolge für diese Länder, so
wie die in denselben belegenen Städte. Wenn gleich die Hansestädte
noch manche Fehden im Norden gegen die dortigen Herrscher, so wie
auf dem weiten Kampfplatze des Oceans gegen die Victualienbrüder und
andere Piraten zu führen hatten, so haben ihre Weichbilder und die
benachbarten Grafschaften und Fürstenthümer 76) doch einer für jene
Jahrhunderte seltenen Ruhe genossen bis der Anfang des
dreißigjährigen Krieges sie mit seinem fern hinhallenden Donner
erschütterte, die überraschten Urenkel tapferer Altvorderen den
Unterschied der Räuberjagd und des Weltkrieges lehrte und sie zwang,
bei den Meistern der seit einem Jahrhunderte völlig umgestalteten
neuen Kriegskunst
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76) Es ist nur Dithmarschen ausgenommen, dessen Kämpfen andere
Ursachen zum Grunde lagen, als von denen hier die Rede ist.
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Lehrjahre zu machen und neue Schutzwehren und
Wälle um die sehr erweiterten und im Innern umgestalteten Städte
aufzuwerfen, welche auch wiederum Jahrhunderte lang gestanden haben,
bis sie als unbequeme unnütze Reliquien des Alterthums, wie vor
ihnen die Bundbriefe, Tohopesaten und Vredecoggen aus dem Umkreise
des Vorhandenen verschwunden waren.
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