Vaterländisches Archiv
für das Herzogthum Lauenburg

Erster Band.
Ratzeburg. Verlag der Buchhandlung von H. Linsen. 1857
 


IV.

Die landwirthschaftlichen Vereine des Herzogthums Lauenburg.

Von Herrn G. A. Bödeker zu Neugüster.

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Das Bestehen des LANDWIRTSCHAFTLICHEN VEREINS für das HERZOGTHUM LAUENBURG datirt sich vom Jahre 1844, wo, gelegentlich eines Zusammentreffens mehrerer Landwirthe aus dem Herzogthume und dem benachbarten Fürstenthümern, von dem damaligen Besitzer Gr. Weedens, Herrn MÜLLER, die Bildung eines landwirthschaftlichen Vereines angeregt wurde.

Er constituirte sich am 18. April desselben Jahres unter der Bezeichnung: „landwirthschaftlicher Verein in Mölln"; erst zehn Jahre später, als eine neue Auflage seiner Statuten nothwendig wurde, erhielt er seinen jetzigen Namen.

Die ZAHL SEINER MITGLIEDER ist im Laufe der Zeit auf 130 gestiegen, worunter EIN Ehrenmitglied in der Person Sr. Excellenz des früheren Gouverneurs unseres Herzogthums, und gegen 20 dem Bauernstande angehörig. Seit dem 4. November 1854 steht er unter dem segensreichen Protectorate Sr. Majestät unsers Königs.

Die VERWALTUNG SEINER INTERESSEN liegt in den Händen eines aus dem Präses, dem Vice-Präses und dem

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Secretair bestehenden Vorstandes, der drei Jahre im Amt zu verbleiben hat und wieder wählbar ist. Unter den Ersteren sahen wir nach der Reihe den Amtmann KAISER-Stove, Amtmann DRENCKHAHN-Gr. Moltzahn, Pächter BOCCIUS-Lauenburg und, seit 1853, den Landrath BERCKEMEYER-Gr. Thurow. - Vice-Präsides waren die Herren BOCCIUS, DRENCKHAHN, Pächter DIESTEL-Halendorf, Pächter v. HOBE-Lockwisch und, seit 1852, Landschaftsrath RISZMANN-Steinhorst. - Das Secretariat ruhte von Anbeginn bis im Herbste vorigen Jahres, wo es der Förster EILERS-Franzhof übernahm, in den Händen des Pächters BÖDEKER-Neugüster.

Der ZWECK DES VEREINS ist der aller landwirthschaftlichen Vereine; doch sucht der unsrige seinen Einfluß auch auf gewerbliche Verbesserungen auszudehnen.

Seine MITTEL bestanden bis zum Jahre 1856 bloß in den stehenden und freiwilligen Beiträgen der Mitglieder, und ist nicht in Abrede zu stellen, daß er damit Bedeutendes erreicht hat. Im vorigen Jahre hatte der Verein die hohe Freude, einer Berücksichtigung auch von oben her gewürdigt zu werden und 400 auf Befehl Sr. Majestät ausgezahlt zu erhalten. Außerdem war es die Direction der Aachener und Münchener Feuerversicherungs-Gesellschaft, die dem Verein die Summe von 50 schenkte.

Die ZAHL DER JÄHRLICHEN VERSAMMLUNGEN beschränkte sich anfangs auf zwei, und wurden allemal in Mölln abgehalten. Im Verlaufe der Zeit stellte sich die Nothwendigkeit öfteren Zusammenkommens heraus und erhielt Ratzeburg den Vorzug; jetzt werden die regelmäßigen Versammlungen in Ratzeburg, die Ausstellungen, Thierschau u.s.w. in Mölln abgehalten.

Vielen genügten jedoch auch diese vermehrten Zusammenkünfte nicht. Anderen lag Ratzeburg zu entfernt, und so entstand im Jahre 1855 neben dem Hauptverein EIN ZWEIGVEREIN, der dasselbe Ziel anstrebt und sich alljährlich in den 5 Wintermonaten

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an jedem Mittwoch vor Vollmond in Büchen versammelt. Diesem Zweigverein haben sich bereits 60 Mitglieder angeschlossen, und darf es ihm nachgerühmt werden, daß er unter dem Präsidio des Pächters BÖDEKER-Neugüster und des Inspectors WINTERS-Dalldorf in anerkennenswerther Weise dem Hauptverein nachstrebt.

Gehen wir nun zu den Leistungen des Letzteren über, - der Zweigverein will ja diesen eben nur unterstützen - so hat man zunächst durch AUFSTELLUNG UND BEANTWORTUNG BESTIMMTER FRAGEN bis jetzt 105 Gegenstände des rationellen landwirthschaftlichen Betriebes zur Klarheit zu bringen gesucht, und wo die bisherige Praxis nicht ausreichte, durch sorgfältig ausgeführte COMPARATIVE VERSUCHE entschieden. Daneben war es die VERALTETE DIENSTBOTEN-ORDNUNG, die die ganze Aufmerksamkeit des Vereins in Anspruch nehmen mußte, und ein BE- UND ENTWÄSSERUNGS-Gesetz, so unentbehrlich bei der fortschreitenden DRAINAGE, um dessen Erlassung wir eine hohe Regierung des Herzogthums dringendst ersuchen mußten. Leider sind beide Petitionen bis jetzt ohne Erfolg geblieben; aber wir versehen es uns zu der Weisheit unserer obersten Landes-Behörde, daß sie diese beiden Vorlagen dermaleinst noch werde prüfend in die Hand nehmen.

Die PRÜFUNG ANGEHENDER WIRTHSCHAFTS-SCHREIBER wurde versucht, mußte aber wegen mangelnder Betheiligung schon nach dem 2ten Male wieder aufgegeben werden.

Ein günstigerer Stern waltet über den jährlichen Ausstellungen landwirthschaftlicher Geräthe und Nutzthiere, die, bereits im Jahre 1847 von dem damaligen Secretair des Vereins angeregt, im Jahre 1854 zuerst abgehalten wurden und sich von da an einer stets wachsenden Theilnahme zu erfreuen haben. Im vorigen Jahre konnte damit eine ALLGE;EOME GEWERBE-AUSSTELLUNG und eine VERLOSUNG verbunden werden, die nicht geringen Anklang gefunden haben.

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Zur Verwendung standen in den Jahren 1854 und 1855: 300 und im Jahre 1856: 600 .

Ausgestellt waren im Jahre 1854: 43 Pferde, 26 Kühe und 42 Schafe; im Jahre 1855: 29 Pferde, 27 Kühe und, des ungünstigen Wetters wegen, nur 13 Schafe, außerdem mancherlei Industrie-Gegenstände; im Jahre 1856 hatte sich für alle Thiergattungen und Industrie-Gegenstände eine sehr gesteigerte Theilnahme herausgestellt. Von den Letzteren kamen 124 Nummern, im Werthe von 856 , zur Verlosung.

Gleichfalls ließ der Verein die ANSCHAFFUNG NEUER LANDWIRTHSCHAFTLICHER GERÄTHE nicht außer Acht, wie denn überhaupt die Verbreitung der so vorzüglichen Schwingpflüge, der schottischen und der schwedischen Egge, der verschiedenen Säemaschinen, der Dresch- und anderer Maschinen vorzugsweise sein Werk genannt werden darf.

DIE STELLUNG DER ARBEITENDEN CLASSE ZU IHREM BRODHERRN, besonders vom Standpunkte der Moral aus, fand ebenfalls eine reifliche Erwägung.

Ein Antrag auf Bildung eines Vereins zur Beförderung der Pferdezucht konnte sich eine allgemeine Theilnahme nicht erwerben, und mußte darum von einem solchen Abstand genommen werden.

Das Jahr 1848 brachte mehrere, damals vom Frankfurter landwirthschaftlichen Congresse gestellte, Anträge auch in den Bereich unserer Abstimmung, und war es unter diesen namentlich die Frage über die Theilbarkeit des Grundbesitzes, welche der Verein mit 44 gegen 10 Stimmen zurückwies.

DIE VERBREITUNG NÜTZLICHER KENNTNISSE UNTER DEM BAUERNSTANDE übersah der Verein gleichfalls nicht, und bediente sich dazu zunächst seines Organs, der von dem Secretair redigirten VERHANDLUNGEN, von denen bis jetzt 23 Lieferungen erschienen sind. In neuester Zeit sucht er diesen Zweck

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gründlicher durch: „OFFENE SENDSCHREIBEN" zu erreichen, welche unentgeltlich verabfolgt werden. Der hohe Werth der Jauche, der Anbau des Pferdezahnmais als Grünfutterpflanze, der Futter-Möhren und der Lupinen wurde dadurch bekannter und fand Anhänger und Freunde.

Nicht minder fand die VERWENDUNG DES REINEN Strohes ZUR DÜNGUNG, welche, angeregt von dem Pächter SCHUBART zu Gallentin, eine Zeitlang viel von sich reden machte, die Beachtung, nicht aber die Billigung des Vereins.

Die PRINCIPIEN, die den PACHT-CONTRACTEN, der WERTHSCHÄTZUNG DES BODENS, dem DRAINIREN abseiten des Pächters oder des Verpächters zu Grunde zu legen sein würden, wurden eben so wohl in den Kreis seiner Berathungen gezogen.

Die ANWENDUNG DES GUANO in ihrer jetzigen Ausdehnung ist ebenfalls das Verdienst desselben.

Die HEBUNG DER BÄUERLICHEN WIRTHSCHAFTEN, speciell die STALLFÜTTERUNGSFRAGE, wurde wiederholt und lebhaft discutirt und eine werthvolle Abhandlung darüber von einem Mitglied des Zweigvereins in die Verhandlungen aufgenommen; aus eigener Anschauung hervorgegangene Beschreibungen ausländischer Wirthschaften nicht zurückgewiesen.

Die BACH'SCHE SAMENDÜNGUNG erhielt eine ernste Zurückweisung, da sie sich bei damit angestellten Versuchen als völlig nutzlos bewährte.

Ein Antrag des Forst-Secretairs FÖRTSCH, zu Radbruch bei Lüneburg, auf Betheiligung an einer Subscription behufs Zusammenbringung einer Summe von 20,000 , für welche er ein von ihm entdecktes, wohlfeiles und ganz untrügliches Mittel, den DUWOCK (equisetum pallustris) radical ZU VERTILGEN, mittheilen wollte, wurde zurückgewiesen.

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Endlich hat der Verein, zwecks HEBUNG DER PFERDE-ZUCHT, versuchsweise 4 Stut- und 6 Hengstfüllen von der berühmtesten Abstammung ankaufen, dann wieder verauctioniren lassen, und steht, trotz der großen dabei gebrachten Opfer, eine Fortsetzung dieses Verfahrens in bestimmter Aussicht.

Der Zweigverein hat im Laufe dieses Jahres ein erstes PREISPFLÜGEN abgehalten, das großen Anklang gefunden hat und wiederholt werden wird.
 

 



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