Das Institut der Actenverschickung hat in unserm
größern und engeren Vaterlande, namentlich seit der Reception des
Römischen Rechts, eine so ausgedehnte Anwendung gefunden, daß es im
Laufe der Zeit vielfach die Aufmerksamkeit der gesetzgebenden Gewalt
auf sich gezogen hat und durch dieselbe manchen Beschränkungen
unterworfen worden ist. Es ist für ganz Deutschland durch
Bundesbeschluß in Criminal- und Polizeistraf-Sachen abgeschafft, und
in unserm Ländchen regelmäßig auf die Leuterungs-Instanz beschränkt.
Diese Verhältnisse, - die Aufhebung des Instituts gerade in dem
Theile der Rechtswissenschaft, der die Spruchbehörden mit der
größten Verantwortlichkeit belastet, und die Beschränkung desselben
in Civilsachen auf die Fälle, wo bereits das ordentliche Gericht
eine Entscheidung abgegeben, - sind wohl geeignet, die Frage nach
der Zweckmäßigkeit der Acten-Versendung überhaupt anzuregen. Für uns
kommt noch der Umstand hinzu, daß unsere größeren Nachbarländer
dieselbe in älterer und neuerer Zeit abgeschafft haben und wir uns
Rechenschaft darüber abzulegen
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haben, ob dieser Ausnahme-Zustand in unserm
Ländchen ein Vorzug ist, oder aber ein Uebelstand, zu dessen
Beseitigung wir nur bisher nicht die nöthigen Kräfte haben aufwenden
mögen; um so mehr, als die streitenden Theile bei unsern Gerichten
mit wahrhaft aufopferndem Eifer diese verhältnißmäßig kostspielige
Procedur ergreifen, um ihre Ansprüche noch einmal auf die Probe zu
stellen.
Von der Beantwortung dieser Frage muß vor Allem ein Moment als
gänzlich ungehörig ausgeschieden werden, obwohl es häufig bei
derartigen Erörterungen als sehr gewichtig in die Wagschale geworfen
wird; - ich meine den Schluß von der häufigen Benutzung eines
remedii auf dessen Zweckmäßigkeit, auf ein Bedürfniß der Praxis
darnach. Es ist gewiß nichts verkehrter, als dieses Argument, da nur
zu häufig Rechthaberei und Rabulisterei, wo nicht noch schlimmere
Motive die Rechtsinstitute mißbrauchen, und am Ende die leuterirende
Parthei wenig darnach fragen wird, ob das nun erkennende Gericht
auch die nöthige Garantie für eine noch bessere Entscheidung, als
die impugnirte gewährt, wenn sie nur Aussicht hat, ihre angeblich
verletzten Rechte zur Geltung zu bringen. - Zur richtigen Lösung des
Problems dürfte allein eine Prüfung der generischen Verschiedenheit
der hier in Betracht kommenden außerordentlichen Spruch-Collegien
von den ordentlichen Gerichten, und der hieraus sich ergebenden
Schlußfolgerungen für probate Dijudicatur der Processe führen, bei
dem hier vorgesteckten Ziele, unter vorzugsweiser Erwägung der
speciell Lauenburgischen Verhältnisse.
Als Hauptunterschied der auswärtigen Spruch-Collegien von den
ordentlichen Landes-Gerichten dürfte der hervorzuheben sein, daß bei
der transmissio actorum eben nicht der ordentlicher Weise zuständige
Gerichtshof, sondern ein Collegium solcher Rechtsgelehrter richtet,
deren Beruf in der theoretischen Ausbildung des Rechts besteht, und
zwar nicht immer eines und desselben Collegii,
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sondern eines für jeden Fall speciell aus den
vielleicht Hunderten von juristischen Facultäten oder
Schöffenstühlen in Deutschland zu bestimmenden. - Damit ist eo ipso
schon eine Verletzung des sonst als palladium unpartheiischer Justiz
geltenden Grundsatzes: Niemand darf seinem ordentlichen Richter
entzogen werden, gegeben. Niemand soll seinem ordentlichen Richter
entzogen werden, weil bei der Verschiedenartigkeit der Ansichten in
der Rechtsanwendung verschiedene Richter auch verschiedenes Recht
sprechen und der, der für specielle Fälle specielle Gerichte
einsetzen könnte, einen ungehörigen Einfluß auf die Entscheidung der
Processe ausüben würde. Ist es bei der Actenverschickung ein
Anderes? Allerdings bestimmt hier der ordentliche Richter die
Facultät, welche im speciellen Falle entscheiden soll, und er ist in
dieser Bestimmung dadurch beschränkt, daß seine Wahl nur auf eine
deutsche Juristen-Facultät fallen darf; aber damit ist die Schwäche
der Sache nur gemildert, nicht gründlich gehoben. Andererseits
vermehrt gerade diese Beschränkung auf Juristenfacultäten die
Bedenklichkeiten, weil es die Berufspflicht der Professoren ist, die
Resultate ihrer Rechtsstudien zu lehren und zu veröffentlichen. Und
gerade dies bietet die Gelegenheit, durch die Wahl einer bestimmten
Facultät auf eine gewünschte Entscheidung hinzuwirken, da von einer
Facultät, deren Coryphäen sich für eine bestimmte Ansicht
ausgesprochen haben, auch eine Entscheidung in diesem Sinne zu
erwarten steht. Am bedenklichsten aber steht die Sache bei uns, weil
hier vermöge der Beschränkung der Actenverschickung auf die
Leuterungs-Instanz gerade die Gerichte die rechtsprechende Facultät
zu bestimmen haben, deren Entscheidung der letzteren in der
Leuterungs-Instanz zu wiederholter Prüfung vorgelegt werden soll.
Ein Richter aber muß so gewiß für das von ihm gesprochene Urtheil
eingenommen sein, als man bei ihm den Wunsch voraussetzen darf, daß
das von ihm als Recht Erkannte auch zur Geltung gelange. Daß er zu
diesem Zwecke von der
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ihm freistehenden Wahl des nun erkennendcn Gerichts
vollen Gebrauch macht, ist nicht mehr, als natürlich, selbst ganz
abgesehen von dem Mißtrauen in die Unbefangenheit des judex a quo,
welches in dem Satze: judex semel gravans semper gravans, Ausdruck
gefunden hat.
Man könnte einwenden, den Partheien werde ja kein Gericht
aufgedrungen, einmal weil die eine Parthei meistens selbst darauf
antragen müsse, wenn die Sache transmittirt werden solle und dann,
daß den Partheien durch das ius eximendi eine Concurrenz bei der
Wahl der Spruchbehörde in der Leuterungs-Instanz eingeräumt sei.
Ersteres kann aber vor Allem nur in so weit Berechtigung haben, als
es sich um die leuterirende Parthei handelt, die andere als die
obsiegende wird nie freiwillig ihr Recht noch einmal dem Risiko
einer Entscheidung unterwerfen, und, was die Hauptsache ist, wenn
der unzufriedene Theil auch auf transmissio actorum antragen muß, so
hat noch immer die vorige Instanz die Wahl des nun erkennenden
Gerichts und damit eben einen nicht geringen Einfluß aus die Prüfung
seiner Entscheidung, der dadurch, daß die eine Parthei ihn veranlaßt
hat, nicht zu einem rechtmäßigen wird. Das jus eximendi aber,
wodurch von jeder Seite regelmäßig drei Facultäten recusirt werden
können, kann gegenüber der Menge von Universitäten, deren
Deutschland sich zu erfreuen hat, doch in der That nicht in Anschlag
gebracht werden; ja es soll grundsätzlich nicht in Betracht kommen,
da die Facultät, auf welche die Wahl gefallen, zur Vermeidung jeden
denkbaren ungehörigen Einflusses Seitens der Partheien, diesen bis
nach dem Eingange des Urtheils verborgen bleiben soll, und dieser
Zweck nicht erreicht werden könnte, wenn es den Partheien gestattet
wäre, eine solche Anzahl von Facultäten zu recusiren, daß sich die
in concreto gewählte leicht errathen ließe.
Ein zweiter, mit dem ersten zusammenhängender Unterschied ist der,
daß bei der Actenverschickung zumeist, bei uns immer,
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eine auswärtige, nicht demselben Rechtsgebiete
wie die Litiganten angehörige Behörde Recht spricht. Und dies ist
der Cardinal-Punkt, der für das Lauenburgische allein schon so stark
wiegt, daß es auffallen könnte, warum noch kein Versuch vorliegt,
das ganze Institut aus unserm Proceßverfahren zu beseitigen. Die
erste Bedingung einer gerechten Entscheidung ist zweifelsohne die,
daß der Richter das Recht kennt, unter welchem die streitenden
Theile leben. Welche Facultät in Deutschland hat sich aber wohl je
ernstlich um unser Particularrecht bekümmert? So klein unser
Ländchen ist, so haben wir doch verhältnismäßig viele Gerichte, die
gesetzgebende Gewalt hat sich im Laufe der Zeiten mehr, als anderswo
mit dem Wechsel des Regentenhauses geändert, auch ist der Reception
des Römischen Rechts bei uns nicht immer eine genaue Prüfung
vorausgegangen, ob und wie weit die einheimischen Institute der
Anwendung Römischer Rechtssätze fähig sind,
S. darüber u. A. ROTTECK's und WELCKER's Staats-Lexikon s. v.:
Sachsen-Lauenburgische Verfassungssache;
- diese Verhältnisse unter Andern werden es erklären, daß wir ein
eben so complicirtes Particularrecht haben, als andere größere
deutsche Staaten, deren Particularrechte in bändereichen Systemen
bearbeitet sind. Gleichwohl ist fast Nichts geschehen, um die
Kenntniß unseres Rechts über die Grenzen unseres Landes zu
verbreiten. Unsere 7 Bände Verordnungen enthalten so viel Obsoletes
und andererseits wieder so viele Lücken, daß aus ihnen nur der
geringste Theil unseres Particularrechts geschöpft werden kann, und
laden ihrer innern und äußern Beschaffenheit nach keineswegs zu
einer systematischen Bearbeitung ein. Das Meiste beruht auf
Statuten, Gewohnheitsrecht und Praxis, die nur unsern Gerichten und
den Interessenten bekannt sind. Man würde daher vergeblich in den
Darstellungen des gemeinen deutschen Rechts auch nur nach der
geringsten Berücksichtigung unseres Particularrechts suchen. Was in
einzelnen Abhandlungen
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sich zerstreut findet, ist wenig und häufig
ungenau oder jetzt unbrauchbar. Auch der PAULSEN'sche Versuch einer
systematischen Darstellung unsers Privatrechts ist so überaus
oberflächlich und dürftig, daß er das totale Uebersehen, das ihm von
unsern Juristen zu Theil wird, vollkommen verdient (beiläufig
bemerkt, soll er dadurch entstanden sein, daß der Verfasser auf
einer Durchreise bei einzelnen Lauenburgischen Gerichten und
Anwälten sich gelegentlich nach unserm Rechtszustande erkundigt und
die gesammelten Notizen compilirt hat). Das wenige, von competenter
Seite Gelieferte, was wirklich noch brauchbar, z. B. die umfassende
Darstellung des Lauenburgischen Meierrechts vom Land-Syndikus
WALTER, ist leider nur Manuscript geblieben und selbst den wenigsten
einheimischen Juristen zugänglich.
Wie ist bei dieser Sachlage eine richtige Entscheidung auswärtiger
Spruchbehörden, denen alle Gelegenheit fehlt, sich mit unserm
Sonderrechte bekannt zu machen, in Lauenburgischen Sachen denkbar!
Ich will gar nicht von unsern vielen Observanzen, von unserm
Gewohnheitsrechte sprechen, - diese sind, der Natur der Sache nach,
jedem nicht im Gerichtsbezirke domicilirten Gerichte unzugänglich,
und der Nachtheil, der der Rechtspflege aus deren Unkenntniß mit
Rücksicht auf den Grundsatz: jura novit curia erwachsen muß, fällt
zu sehr in die Augen, um einer weitern Erörterung zu bedürfen. Man
kann den Facultäten auch nicht einmal eine oberflächliche Kenntniß
unseres geschriebenen Rechts zumuthen, denn dasselbe bietet zu wenig
wissenschaftliches Interesse dar, wird wenigstens von zu vielem
Wichtigeren in den Hintergrund gedrängt, als daß die nur
ausnahmsweise und nebenher bei unsern Rechtssachen betheiligten
Collegien von der Existenz unserer Verordnungen Kunde erhalten
sollten.
Unsere ältere Gesetzgebung hat diesen Mangel auch recht wohl gefühlt
und deßhalb in vielen, das Criminal-Recht betreffenden Verordnungen,
ohne Zweifel in der Absicht, um wenigstens 1857/3 - 88
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in diesem wichtigsten Theile des Rechtsgebiets
sicher zu sein, daß der Richter das Hauptgesetz über den
betreffenden Gegenstand auch kenne, - andere, nicht so unmittelbar
den Gegenstand betreffende Gesetze und die Entscheidungen in
Civil-Processen überließen sie ihrem Schicksale, - ausdrücklich
verfügt, daß die betreffende Verordnung, wenn ein darunter zu
subsumirender Rechtsfall zur Entscheidung an auswärtige
Spruch-Behörden gelange, den letzteren zur Kenntnißnahme zugestellt
werden solle. Wollte man aber damit diesem Uebelstande gründlich
abhelfen, so müßte in jedem Falle unser gesammtes geschriebenes
Recht an die Facultät mit transmittirt werden, denn man kann nicht
im Voraus wissen, auch nicht der vorher in der Sache entscheidende
Richter, von welchen Erwägungen das Erkenntniß in der
Leuterungs-Instanz ausgehen wird; wer kann wissen, wohin die frühern
Facultäts-Erkenntnisse geführt hätten, wenn das urtheilende Gericht
das Speciellere unseres Rechtszustandes gründlich gekannt hätte,
denn minima circumstantia (hier jede anscheinend noch so
unbedeutende Norm unseres Particularrechts) variat jus. Freilich hat
der judex a quo die erforderliche Kunde unseres geschriebenen Rechts
gehabt, aber theils hat derselbe vielleicht nur stillschweigends die
einschlägigen Normen unseres Sonderrechts vorausgesetzt, theils soll
das judicium ad quod nicht erst aus dem angefochtenen Erkenntnisse
erfahren, welche besondere Normen im concreten Fall zur Anwendung
kommen können, sondern die Prüfung einer abgegebenen Sentenz setzt
vielmehr eine selbständige Kenntniß des Rechts voraus, nach dem der
judex a quo zu entscheiden hatte.
Ein fernerer Unterschied zwischen der Facultät und einem ständigen
Richter ist auch der, daß bei der transmissio actorum überall kein
Gerichtshof, sondern eine Anzahl Rechtsgelehrter, deren Beruf in der
Förderung der Rechtstheorie besteht, die richterlichen Funktionen
versieht. Hieraus folgen aber für eine
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Facultätsentscheidung alle Schwächen, die
nothwendig mit der großen Kluft, die zwischen der Theorie und Praxis
des deutschen Rechts bis jetzt noch obwaltet, verbunden sind. Die
Theoretiker beschweren sich über die zu geringe Beachtung der
Theorie bei der Führung unserer Processe, und die Praktiker
belächeln so oft die Spitzfindigkeiten, zu denen ein Hinwegsetzen
über die Gestaltung, die die Theorie im praktischen Leben gewinnt,
immer führen muß. Dabei ist es unvermeidlich, daß die Universitäten,
die sich als Monopol der juristischen Weisheit zu betrachten gewohnt
sind, im Eifer des Besserwissens selbst da zum Reformiren geneigt
sind, wo wirklich nur Uebung im Rechtsprechen und unbefangene
Würdigung der Verhältnisse das Urtheil dictirt haben. In der Praxis
gelten die Universitär-Erkenntnisse als etwas ganz Unberechenbares,
und in meiner noch jungen Praxis bin ich von älteren, gewiegten
Juristen oft gewarnt worden, mich nicht zu sehr auf die Gediegenheit
der Erkenntnisse, gegen welche Remedur auf dem Wege der
Actenverschickung versucht ist, zu verlassen, da die Facultäten nur
zu häufig ihre Weisheit durch wunderliche Entscheidungen an den Tag
zu legen suchten. - Durch dieses Mißverhältniß wird denn auch der
unverkennbare Vorzug, den die Actenverschickung immer hat, nämlich
der, daß die Entscheidung von Gerichtsbeisitzern ausgeht, die
einerseits nicht in der geringsten Beziehung zu den Partheien
stehen, die die Partheien nur wie Zahlen oder Buchstaben ansehen und
daher unpartheiisch sein müssen, andererseits auch ihres Berufs
wegen vorzugsweise wissenschaftlich durchgebildet sind, - völlig
wieder paralysirt. Was hilft es den Partheien, ob der Richter ihnen
wegen unwillkürlicher Vorliebe für eine Parthei Unrecht thut, oder
weil er sich im Glanze seines Wissens zeigen will, oder weil er
keine Uebung in der Aburtheilung streitiger Fälle hat. Zudem mangelt
es uns wenigstens in der Oberinstanz nicht an gewissenhafter und
gründlicher Prüfung unserer Rechtssachen; wer dies nicht
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aus dem Inhalte der bisherigen Entscheidungen hat
kennen lernen können, wird es aus dem Umfange unseres Ländchens
schließen können, da dasselbe nicht so viele Rechtssachen in die
Oberinstanz bringen kann, um unserm Oberdicasterio die zu
allseitiger Erwägung von Rechtssachen erforderliche Zeit zu
beschränken.
Endlich unterscheidet sich die Instanz bei der transmissio actorum
auch dadurch von dem ordentlichen Richter, daß erstere nicht unserer
einheimischen Gesetzgebung unterworfen ist. Kein einheimisches
Gesetz kann der Facultät die Pflicht auferlegen, die Justiz
sportelsfrei für uns zu administriren, und es muß daher Jeder, der
bei uns auf Actenverschickung anträgt, vor derselben einen nicht
unbedeutenden Vorschuß zur Deckung der Urtheils-Kosten einzahlen.
Hierzu sind aber außer den eigentlichen Armenpartheien häufig selbst
solche nicht im Stande, denen ein Armuths-Attest vorenthalten wird,
und es tritt hier demnach das traurige Resultat ein, daß die
Actenverschickung nur für Bemittelte zugänglich ist, mit andern
Worten: während eine wohlhabende Parthei die ihr ungünstige
Entscheidung der Ober-Instanz oder eines Untergerichts noch bei
einer Facultät zur Prüfung vorlegen kann, muß eine weniger
bemittelte Parthei von diesem Versuche, ein günstiges Urtheil zu
erlangen, abstehen, weil sie den Kosten-Vorschuß nicht aufbringen
oder nicht entbehren kann. Ein Baum, der solche Früchte trägt, muß
aber schon in der Wurzel verdorben sein.
Wollen wir daher auch annehmen, daß die entscheidende Behörde bei
der Actenverschickung das Recht unbeirrt durch ungehörige Einflüsse
sprechen will, - gewiß ist, daß sie es nicht kann, weil ihr die
Möglichkeit genommen ist, das Recht, wonach wir leben, kennen zu
lernen. Die erste Bedingung einer angemessenen Justizverwaltung ist
aber ein Richter, der das Recht, wonach er richten soll, auch kennt.
- Streben wir daher, und möge namentlich Jeder, dem eine thätige
Mitwirkung bei unserer Gesetzgebung vergönnt ist, streben nach der
Beseitigung einer uns
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aus andern Zeiten überkommenen Institution, die
der Grundpfeiler aller Rechtspflege entbehrt, die die Partheien
ihrem ordentlichen Richter entzieht, die einen Richter an dessen
Stelle setzt, der nicht Recht sprechen kann, weil er das Recht,
wonach zu entscheiden er berufen wird, nicht kennt, und der die
richterlichen Funktionen nur als Nebengeschäft anzusehen genöthigt
ist; und endlich einer Institution, welche dem Armen nicht gleiches
Recht mit dem Wohlhabenden gewährt!
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